Digitalisierung in der HR-Abteilung

Der Dauerpräsenz des Themas „Digitalisierung“ seit Beginn der Corona-Pandemie zum Trotz ist die deutsche Wirtschaft laut dem „Digital Riser Report 2021“ vom European Center for Digital Competitiveness der ESCP Business School in Berlin hier eher auf der Verliererseite. Eine andere Untersuchung zeigt: Auch Personalabteilungen haben bei den Themen Prozessautomation und Digitalisierung noch Luft nach oben.
Veröffentlicht am 08.09.2022
Digitalisierung in der HR-Abteilung

Der Digital Riser Report basiert auf Daten des Weltwirtschaftsforums sowie der World Bank und der International Telecommunication Union. Demnach haben von den G20-Staaten Deutschland, Japan und Indien zwischen 2018 und 2020 bei der Digitalisierung am meisten an Boden verloren. Und nach einer Befragung von rund 500 Firmen hat sich gezeigt, dass weniger als die Hälfte der deutschen HR-Abteilungen Stellenanzeigen digitalisiert ausschreiben. Noch niedriger ist der Anteil jener, die mittels digitaler Tools Lebensläufe, Zeugnisse oder Anschreiben erfassen, prüfen und bewerten. Mehr als ein Viertel der Befragten (27 Prozent) sagte sogar, dass in ihrer Personalabteilung überhaupt kein Prozess digitalisiert ist – vermutlich wird dort aber immerhin schon mit dem Computer geschrieben statt mit der Schreibmaschine.

Spaß beiseite und auch die Frage, wie solche Studien und Umfragen qualitativ zu bewerten sind. Wer sich in seiner Personalabteilung umschaut, wird auch nach zwei Jahren Homeoffice noch immer ziemlich viele Prozesse finden, in denen wohl digitale Dokumente verwendet werden, der Austausch aber per Mail oder Cloud funktioniert. Das ist sozusagen die digitale Version der Zettelwirtschaft und kostet enorm viele Ressourcen. Damit sind nicht in erster Linie die Kosten für Softwarelizenzen gemeint oder für E-Mail-Server, sondern die Verschwendung der menschlichen Ressourcen in der HR-Abteilung für Aufgaben, die ohne Probleme und Qualitätseinbußen auch automatisiert ablaufen könnten. Oder gibt es wirklich stichhaltige Argumente dafür, Personalnachwuchs mittels individuellen Emails durch den Onboarding-Prozess zu führen anstatt Einladung und Verwaltung von einem Programm übernehmen zu lassen und sich statt dessen auf das eigentliche Onboarding zu fokussieren? Ressourcenverschwendung kann erfolgskritisch für Unternehmen sein. Denn wenn die durchschnittliche Zeit, die Stellen in Deutschland unbesetzt sind bei rund vier Monaten liegt (laut Arbeitsagentur), die Kündigungsfrist von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen jedoch häufig nur vier oder sechs Wochen, längstens ein Vierteljahr beträgt, dann ist schnell klar, dass die schleppende Besetzung vakanter Stellen – in einer ohnehin von Fachpersonalmangel geprägten Situation – entweder zu übermäßiger Belastung des vorhandenen Personal führt oder zu einer unter ihren Möglichkeiten bleibenden Unternehmensperformance.

Damit das klar ist: Prozessautomation in der HR bedeutet nicht, vorne Kriterien einzugeben, auf einen Knopf zu drücken und hinten kommt dann eingestelltes Personal heraus. Natürlich müssen die wesentlichen Entscheidungen von Menschen getroffen werden. Aber digitale HR-Tools können einfache, sich ständig wiederholende Aufgaben übernehmen, Entscheidungen vorbereiten und die Zusammenarbeit in der Personalabteilung verbessern. Somit sollte auch klar sein, was der erste Schritt ist um digitale HR-Tools einzuführen: Es ist nicht der Anruf beim Vertrieb der Hersteller solcher Software. Sondern die Einbindung der eigenen Beschäftigten, insbesondere natürlich der Personalabteilung, aber auch anderer Abteilungen, die mit Personalthemen beschäftigt sind wie zum Beispiel Fort- und Weiterbildung. Wer so die eigenen Prozesse bis ins Detail erforscht und dabei auf Automatisierungspotenzial achtet, hat es nachher sehr viel leichter, sich Software anzuschaffen oder programmieren zu lassen, die auch wirklich die eigenen Prozesse verbessert.

Kosten zu senken sollte nicht der Haupttreiber sein, sondern Qualitätsverbesserung. HR-Software kann für einfache Wenn-Dann-Entscheidungen eingesetzt werden (Wenn keine Englischkenntnisse vorhanden sind, dann Ablehnung der Bewerbung vorschlagen). Die Menschen in der HR bekommen so mehr Ressourcen, sich Aufgaben zu widmen, für die es Kreativität, Erfahrungswissen, Soft Skills und Intuition braucht. Denn noch immer sind die meisten Personalabteilungen mit einer Vielzahl eher schlichter Verwaltungsaufgaben belastet, teilweise beträgt deren Anteil bis zu 80 Prozent. Selbst wenn davon nur ein Viertel bis die Hälfte automatisiert würde, entstünden große Ressourcen für eine kreative Personalarbeit. Beispiel Überprüfung der Lebensläufe im Hinblick auf die gestellten Anforderungen: Eine reine Fleißaufgabe. Würde hingegen ein Programm diesen Vergleich automatisiert anstellen, entstünden freie Kapazitäten, mit denen beurteilt werden kann, ob das Fehlen einer bestimmten Qualifikation durch andere Faktoren mehr als wett gemacht wird. Oder ob diese Anforderung vielleicht ohne großen Aufwand firmenintern nachgeholt werden kann und somit eine auf den ersten Blick nicht passende Bewerbung vielleicht doch zu einer guten Einstellung führt.