Bewerber googeln – erlaubt oder verboten?

Ein Rechtsanwalt bewirbt sich bei einer Universität. Dort googelt ein Beschäftigter den Namen des Anwalts, der ihm bekannt vorkam, und findet heraus, dass dieser mehrfach – aber noch nicht rechtskräftig – wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Und er findet einen Eintrag in einem Online-Lexikon, laut dem der Anwalt mehrfach fingierte Bewerbungen eingereicht und nach einer Ablehnung gegen diese geklagt habe. Der Mitarbeiter der Universität erstellt mit diesen Informationen einen Aktenvermerk, die Bewerbung wird abgewiesen mit der Begründung, eine andere Person habe besser gepasst. Der Anwalt klagt und wirft der Universität vor, sie habe unrechtmäßig Informationen aus dem Internet über ihn eingeholt, ihn darüber nicht informiert, ihm keine Möglichkeit für eine Stellungnahme gegeben, die unrechtmäßig erlangten Informationen aber im Bewerbungsverfahren verwendet.
Wie hätten Sie entschieden? Es klingt unglaublich, aber vor dem Arbeitsgericht hat der Anwalt teilweise Recht und eine Entschädigung von 1000 Euro zugesprochen bekommen. Laut Gericht hatte die Uni zwar das Recht, den Namen des Bewerbers zu googeln, hätte diesen aber innerhalb der gesetzlichen Pflicht darüber informieren müssen. Ohne diese Information sei die nicht rechtskräftige Verurteilung intern dokumentiert und bei der Entscheidung über die Bewerbung verwendet worden. Erst dadurch wurden die Rechte des Anwalts verletzt, denn er wurde zum bloßen Objekt eine Datenverarbeitung ohne Möglichkeit der Einwirkung.
Das Einzelurteil (LAG Düsseldorf, Aktenzeichen 12 Sa 1007/23) wird auch deshalb hier ausführlich geschildert, weil es zeigt, wie kompliziert die Rechtslage ist. Was folgt in der Praxis daraus für Bewerber und Bewerberinnen? Und was für Unternehmen? Letztere sind gut beraten, wenn sie Online-Recherchen äußerst gründlich juristisch prüfen und nur dezent einsetzen. Grundsätzlich ist die Recherche im Internet und in Netzwerken nicht verboten. Die Hürden für eine datenschutzrechtlich korrektes Vorgehen sind aber hoch. Eine Richtschnur kann sein, dass Informationen, die Bewerber freiwillig in öffentlich zugänglichen Medien von sich preisgeben, meist nutzbar sein dürften – wenn darüber informiert wird und wenn die Daten beruflich sind. Berufliche Netzwerke wie Xing oder LinkedIn haben ja (auch) gerade den Zweck, sich Arbeitgebern zu präsentieren. Recherchen in eher privat genutzten Diensten, zumal wenn diese durch Zugangsdaten geschützt sind (etwa Facebook oder Instagram) dürften da schon eher zu Problemen mit dem Datenschutz führen. Grundsätzlich sind auch die AGB der jeweiligen Dienste zu beachten. Und Arbeitgeber können in der Regel nicht sicher beurteilen, ob im Internet vorgefundene Daten tatsächlich von dem Bewerber oder der Bewerberin veröffentlicht wurden und ob die Information richtig ist.
Schnell kann die Grenze zur Bildung eines persönlichen Profils überschritten werden, was ebenfalls gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen kann. Alles, was im normalen Bewerbungsprozess tabu ist (Themen wie Religion, Sexualität, Herkunft, Finanzen oder politische Anschauungen), darf natürlich auch nicht durch Online-Recherchen ausgeforscht werden. Und es dürfte Personalabteilungen auch nicht sicher schützen, wenn sie sich von Bewerbern und Bewerberinnen die Genehmigung zu solchen Recherchen geben lassen – eine Einverständniserklärung zur Verarbeitung personenbezogener Daten muss freiwillig erfolgen. Vor Gericht lässt sich leicht argumentieren, dass diese Freiwilligkeit im Bewerbungsverfahren eingeschränkt ist, denn ein verweigertes Einverständnis könnte die Personalabteilung als negativ bewerten.
Und wie sollten Beschäftigte agieren? Dass es grundsätzlich keine gute Idee ist, kompromittierende Bilder oder Aussagen breit im Internet zu streuen, liegt auf der Hand. Denn schließlich dürfte es Personalabteilungen recht leicht fallen, ihre Online-Recherchen geheim zu halten. Wie das eingangs geschilderte Beispiel zeigt, können solche Recherchen aber auch ans Tageslicht kommen. Wer den Verdacht hat, dass illegale Datenerhebungen zur Zurückweisung der Bewerbung beigetragen hat, sollte mit seinem Arbeitsrechtsanwalt beraten, ob eine Klage sinnvoll und erfolgversprechend ist. Kommt sogar noch der Verdacht auf Verwendung von KI-unterstützten System hinzu, sind die Erfolgsaussichten vor dem Arbeitsgericht noch besser. Denn die meisten KIs sind sogenannte „Black boxes“, d.h. Anwender (hier: das Recruiting) können oft nicht genau sagen, wie die KI zu ihren Ergebnissen kommt, weil die Quellen nicht klar sind. Damit aber wird eine ausreichende oder gar vollständige Information von Bewerbern über sie betreffende Datenerhebungen praktisch unmöglich.