Wie gelingt Integration in der Landwirtschaft?

Oft werden Anwerbung ausländischer Fachkräften und Beschäftigung von Flüchtlingen als Mittel gegen den Fachkräftemangel genannt. Doch in der Praxis ist das nicht so einfach. Dabei haben gerade die grünen Berufe Potenzial dafür, dass Integration gelingen kann. Wir geben Tipps, worauf zu achten ist.
Veröffentlicht am 05.06.2025
Wie gelingt Integration in der Landwirtschaft?

Beim Thema „ausländische Fachkräfte“ denken viele an IT-Spezialisten oder Beschäftigte der Finanzindustrie. Die in Büros im urbanen multikulturellen Umfeld ihrer Arbeit nachgehen. Nicht direkt damit assoziiert sind Menschen aus Afrika, die als Gemüsegärtner oder Melker oder Hilfskraft auf landwirtschaftlichen Betrieben in der Provinz arbeiten. Aber warum eigentlich nicht? Es gibt etliche Punkte, die eine berufliche Integration von Menschen in landwirtschaftliche Betriebe erleichtern können.

Grüne Berufe gehören nicht zu den besonders reglementierten wie etwa öffentlicher Dienst, Justiz oder Medizin. Das erleichtert die Arbeitsaufnahme, denn seit März 2024 darf in Deutschland jeder eine Arbeit aufnehmen, der in seiner Heimat eine staatlich anerkannte, mindestens zweijährige Ausbildung abgeschlossen und zwei Jahre Berufserfahrung hat. Die Ausbildung muss nicht gleichwertig mit einer deutschen sein. Das senkt die bürokratischen Hürden wesentlich. Ein weiterer Vorteil ist die starke praktische Ausrichtung der meisten Arbeit in der Agrarwirtschaft. Das senkt sprachliche Anforderungen – zwar muss Kommunikation mit Vorgesetzten und Team möglich sein, aber eben keine oder nur wenig Kommunikation mit Kundschaft. Zudem gibt es in Land- und Forstwirtschaft und Gartenbau viele Tätigkeiten für un- und angelerntes Personal. Und schließlich ist ein nicht unerheblicher Teil der Menschen, die nach Deutschland flüchten, in ihrer Heimat selbst in praktischen Berufen oder der Landwirtschaft tätig gewesen. Bei allen Unterschieden doch keine schlechte Grundlage.

Auch wenn es bürokratische Hemmnisse gibt beim Thema Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, so gibt es auch etliche Hilfestellungen. Das Bun­desamt für Flucht und Migration hat Online-Deutschkurse eingerichtet, die be­rufsspezifische Sprachkenntnisse vermitteln können. Etliche Institutionen haben Willkommenslotsen oder Integrationshilfen eingerichtet und bieten Beratung und Unterstützung für Betriebe, so etwa die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Sie hat im Frühjahr 2024 erstmals eine „Tour in den Job“ angeboten. Zugewanderte Menschen be­suchten Arbeitsstätten in verschiedenen Branchen und konnten auch in einer Art Kurzpraktikum Einblick in einen Beruf bekommen. Solche Schnupperpraktika werden vielerorts angeboten und sind ein bewährtes und oft erfolgreiches Instrument für die Anwerbung ausländischer Beschäftigter.

Anerken­nung ausländischer Berufsqualifikationen ist häufig eine große Hürde. Auf dem Informationsportal „Anerkennung in Deutschland“ des Bundesinstituts für Berufsbildung lässt sich zumindest die zuständige Behörde finden. Gesetzlich besteht bei einer nur teilweisen Gleichwertigkeit die Möglichkeit zur Weiterbildung, um volle Anerkennung zu erreichen. Weil im landwirt­schaftlichen Bereich mangels passender An­gebote mit Zulassung die Kosten dafür oft nicht von Arbeitsagenturen oder Jobcentern übernommen werden, könnten Unternehmen in Not selbst einspringen – schließlich dürften die Kosten von der Steuer absetzbar sein.

Wer eine Anerkennungspart­nerschaft mit künftigen Beschäftigten abschließt, ermöglicht diesen eine rasche Arbeitsaufnahme im eigenen Betrieb, muss sich aber dazu verpflichten, beispielsweise nötige Weiterbildungen zu unterstützen – etwa durch Freistellung. Die „Chancenkarte“ bietet seit Juni 2024 die Möglichkeit, zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland einzu­reisen. Menschen die diesen Weg gehen, dürfen im ersten Jahr bis zu 20 Stunden in der Woche arbeiten oder auf Probe beschäftigt sein und können in der restlichen Zeit nötige Kurse und Weiterbildungen absolvieren. Wer binnen dieses Jahres eine Stelle auf Fachkraftniveau antritt, darf weitere zwei Jahre bleiben und gewinnt so Zeit, um die Be­dingungen für den dauerhaften Aufenthaltstitel zu er­füllen. Diese neuen Instrumente können Betriebe nutzen, wenn sie im Ausland nach Fachkräften suchen. Sind sie fündig geworden, ist es ratsam, die Integration zumindest in den ersten Monaten oder Jahren zu unterstützen. Wer früh einfache Infos zum deutschen Arbeits- und Lebens­alltag bereitstellt (Wohnungssuche, Bankkonto, Versicherungen usw.) unterstützt den Erfolg seines Recruitings. Und hier gilt es auch, die bestehende Belegschaft einzubeziehen. Denn wenn ein Arbeiter aus dem Kongo oder eine Arbeiterin aus Bangladesch auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Niedersachsen oder Bayern anfängt, vielleicht zunächst sogar auf dem Hof wohnen kann, dann birgt dies nicht zuletzt wegen der enormen kulturellen Unterschiede samt sprachlichen Hürden Konfliktpotenzial. Hier müssen alle Seiten, also auch der Betrieb und die alteingesessene Belegschaft, sich bemühen, um zu einer guten Zusammenarbeit zu kommen. Klare Arbeitsanweisungen können beispielsweise auch schriftlich, dank leicht zu bedienender Übersetzungswerkzeuge im Internet auch in der Mutter­sprache der Beschäftigten, als Fotos oder als Video gegeben werden. Und es ist ebenfalls hilfreich, neu angekommenen Mitarbeiten­den eine feste Person an die Seite zu geben, die als eine Art Coach oder Mentorin hilft.

 

Informationsportal „Anerkennung in Deutschland“
https://www.anerkennung-in-deutschland.de/html/de/index.php

Umfangreiche Informationen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft
https://www.praxis-agrar.de/betrieb/betriebsfuehrung/beschaeftigung-in-gruenen-berufen/fachkraefteeinwanderung-und-integration-in-der-landwirtschaft

Thünen-Institut: „Zukunft für Geflüchtete in ländlichen Regionen: Befunde und Handlungsempfehlungen“ (PDF, Abschlussbericht des Forschungsprojektes 2018 bis 2021)
https://www.gefluechtete-in-laendlichen-raeumen.de/fileadmin/gilr/pdfs/ThuenenRatgeber6_Zukunft_Gefluechtete.pdf