Chancenkarte für mehr ausländische Fachkräfte?

240.000 Fachkräfte fehlen laut einer Studie des Arbeitsministeriums in Deutschland. Nun arbeitet die Regierung an einem neuen Zuwanderungsgesetz. Die Chancenkarte soll die bereits seit rund zehn Jahren bestehende BlueCard ergänzen. Was bringt das?
Veröffentlicht am 27.03.2023
Chancenkarte für mehr ausländische Fachkräfte?

Laut dem Statistischen Bundesamt arbeiteten Ende 2021 rund 70.000 Menschen mittels BlueCard in Deutschland. Dieser 2012 EU-weit eingeführte Aufenthaltstitel ist gedacht für Akademikerinnen und Akademiker von außerhalb der europäischen Gemeinschaft, die hierzulande ein konkretes Job-Angebot haben und dafür ein bestimmtes Mindestgehalt beziehen. Sprachkenntnisse müssen nicht nachgewiesen werden und das Gehalt kann in bestimmten Mangelberufen niedriger sein – das betrifft beispielsweise die Bereiche IT, Medizin und viele Ingenieursberufe. Laut den Statistikern kommen mit 28 Prozent die allermeisten BlueCard-Inhaber in Deutschland aus Indien, auf den Plätzen folgen China, Türkei und Russland (jeweils 6 Prozent).

Nun hat die Regierung im Oktober Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung vorgelegt, die eine sogenannte Chancenkarte beinhalten. Damit sollen die bereits mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom März 2020 erleichterten Einreise- und Beschäftigungsmöglichkeiten für ausländische Fachkräfte weiter verbessert werden. Insbesondere soll die Einreise zur Jobsuche erleichtert werden, ein Punktesystem wie beispielsweise in Kanada sowie jährlich neu festgelegte Einreisekontingente sollen den Ablauf vereinfachen. Die Vergabe der Punkte soll wohl wesentlich an den vier Kriterien Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung und Deutschlandbezug festgemacht werden. Insbesondere für die Berufe im dualen System soll es Erleichterungen geben, hier soll eine Einwanderung und Arbeitsaufnahme möglich sein ohne vorherige formale Anerkennung eines Abschlusses. Zwei Jahre Erfahrung in dem Beruf, der ausgeübt werden soll sowie ein im Herkunftsstaat anerkannter Abschluss sollen künftig ausreichen, der Heimatabschluss muss nicht mehr gleichwertig mit einem deutschen sein.

Noch ist das Paket nicht in trockenen Gesetzestüchern. Insbesondere das Thema „Deutschkenntnisse“ stößt auf Kritik, denn diese im Ausland zu erlangen ist oftmals sehr schwierig und in der Praxis meist die höchste Hürde – zusammen mit der Anerkennungsproblematik von Abschlüssen und Zeugnissen. Deshalb ist es erfreulich zu beobachten, dass offenbar eine Abschaffung des Sprachnachweises diskutiert wird, falls das einstellende Unternehmen bestätigt, dass keine Deutschkenntnisse nötig sind. Das kann – je nach konkreter Ausgestaltung – Chancen eröffnen. Denn Unternehmen mit sehr hohem Fachkräftemangel bekommen möglicherweise die Option, ihre Prozesse so zu gestalten, dass Fremdsprachler integriert werden können – und ggfls. dann einen Spracherwerb parallel zum Job selbst zu organisieren.

In ersten Stellungnahmen von Experten und Verbänden wird der grundsätzliche Ansatz der Chancenkarte bzw. eines Punktesystem durchaus gelobt. Dann wird aber auch oft gefordert, die konkrete Ausgestaltung solle möglichst transparent und einfach gestaltet sein – beispielsweise vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Auch der Arbeitsmarktforscher Holger Bonin vom Institut zur Zukunft der Arbeit bezweifelt, dass über die geplante Chancenkarte mehr Menschen aus Drittstaaten nach Deutschland kommen werden. Das System sei viel zu kompliziert sagte er dem Mediendienst Integration. Andere Expert:innen verweisen oft auf die Sprachproblematik und zudem auf die häufig restriktive Auslegung von Vorschriften in den deutschen Visums-Stellen bei deutschen Botschaften und Konsulaten im Ausland.

Vorbehaltlich der dann konkret vom Gesetzgeber verabschiedeten Regel scheint sich also jetzt bereits abzuzeichnen: Es dürfte Verbesserungen geben, nicht aber den großen Durchbruch.