Nach dem Urlaub alle Mails löschen – ist das erlaubt?

Das kennen sehr viele Angestellte: Am ersten Tag nach dem Urlaub fährt der Rechner hoch und das Mailprogramm zeigt ein paar Hundert oder gar über Tausend Mails. Egal wie schön es war, da ist die Erholung gleich schon zur Hälfte futsch. Aber was tun gegen die Mailfluten? Derzeit macht ein radikaler Lösungsvorschlag die Runde. Löschen! Ist das erlaubt und was hilft sonst noch?
Veröffentlicht am 08.09.2022
Nach dem Urlaub alle Mails löschen – ist das erlaubt?

Angeblich hat ein Berliner Gemeindevertreter während des Sommerurlaubs seinem Mailprogramm aufgetragen, alle eingehenden Mails mit dem automatischen Hinweis zu beantworten, in der Zeit der Abwesenheit würden Mails ungelesen gelöscht. Auch Buchautorin Anitra Eggler („E-Mail macht dumm, krank und arm – Digitaltherapie für mehr Lebenszeit“) rät zu dieser Maßnahme als radikale Gegenwehr gegen unhaltbare Zustände, allerdings mit der Einschränkung, dies könne nur für interne Mails gelten. Mails von außen könnten vertragsrelevante Anfragen, Aufträge oder sonstige wichtige Informationen enthalten. Und natürlich finden Medien auch sofort Expertinnen und Experten für Arbeitsrecht, die darauf hinweisen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so einen Schritt überhaupt nicht selbstständig entscheiden dürfen und im Zweifelsfall dazu verpflichtet sind, alle Mails abzuarbeiten. Im schlimmsten Fall könnten sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen.

Zu Zeiten der Briefkommunikation – manche erinnern sich – war die Sache klar: Post kommt am Arbeitsplatz an und wird nach dem Urlaub geöffnet. Der Vergleich hinkt, denn niedrige Kosten und einfaches Versenden von E-Mails hat dazu geführt, dass deren Zahl die der vor Jahrzehnten verschickten Briefe um das Zigfache übersteigt. Niemand wäre auf die Idee gekommen, beim Versenden eines Briefes an einen Kunden mehreren eigenen Kolleginnen und Kollegen eine Kopie zukommen zu lassen – heute umfasst das cc:-Adressfeld einer Mail schnell mal ein Dutzend Adressen. Und so geht es weiter: Eine rasche Auskunft oder Mitteilung, nach dem Stand eines Projektes fragen usw. usf. werden per Mail gesendet und verstopfen unser Postfach. Das Allermeiste davon könnten wir nach dem Urlaub vermutlich tatsächlich ungelesen und auch ohne Schaden löschen, aber eben nicht die wenigen wirklich wichtigen Mails dazwischen. Einfach alles löschen ist sicherlich zu radikal und auch gefährlich, wenn eine wirklich wichtige Information so verloren geht. Aber mit den folgenden Tipps schmilzt der Mailberg rasch ab.

Sortieren statt Löschen

Das Stichwort für einen praktikableren Umgang mit Mailfluten lautet: Sortieren. Es gibt keinen Grund dafür nach dem Urlaub Mails in der Reihenfolge ihres Eingangs abzuarbeiten. Wer die viele Filter- und Sortiermöglichkeiten seines Mailprogramms schlau nutzt, macht beim Aussortieren unwichtigerer Mails schnell große Fortschritte. Insbesondere sortieren nach der Absenderadresse kann sehr hilfreich sein.

Dialogansicht

Beim Sortieren nach Betreffzeile finden sich Mails zum gleichen Thema untereinander, so das Mailprogramm nicht sowieso diese Ansicht als Standard hat. Bei längerem Hin und Her zwischen verschiedenen Beteiligten unter dem gleichen Betreff reicht oft das Lesen der jüngsten Mail dieses Threads, in der meist auch die vorigen Beiträge als Antworten auf noch ältere stehen.

Sprechen statt Lesen

Einfach mal das Gespräch suchen mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Team oder Projekt: So kommt man auf den aktuellen Stand, das ist ja sowieso nötig, und erkundigt sich dabei am besten auch danach, welche der vielen Mails zum gemeinsamen Thema, die während der eigenen Abwesenheit eingegangen sind, relevante Inhalte haben.

Automatische Antworten

Automatisch versendete Abwesenheitsmails lassen sich oft am Absender oder an bestimmten Schlüsselbegriffen im Text oder Betreff ausfiltern und löschen. Und zur Vorbeugung am besten den eigenen Auto-Responder so einstellen, dass Abwesenheitsbenachrichtigungen an jede Mailadresse nur einmal verschickt werden. Man kann in der eigenen Abwesenheitsnotiz auch darum bitten, sich ab Tag X erneut zu melden, wenn das Anliegen dann noch aktuell sein sollte, verbunden mit dem Hinweis, dass die Bearbeitung der alten Mails nach dem Urlaub längere Zeit in Anspruch nehmen werde – das kann dazu motivieren, der Bitte nachzukommen.

Abschalten

Es ist schon rund zehn Jahre her, da machten große Konzerne, u.a. aus der Automobilbranche, damit Schlagzeilen, dass sie ihren Beschäftigten nach Feierabend keine Mails mehr auf das Diensthandy weiterleiteten. Eine ähnliche Regelung stünde auch Unternehmen gut zu Gesicht, die ihre Beschäftigten vor digitalem Stress schützen wollen und dafür mit Work-Life-Balance-Punkten belohnt werden wollen. Auch das übrigens keine neue Idee, Autobauer Daimler hat das schon 2014 so gemacht.