Wie gelingt Work-Life-Balance in der Landwirtschaft?

Die Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben gilt zurecht oft als hart: Hohe körperliche Anforderungen trotz Maschineneinsatz, auch bei schlechtem Wetter raus, Arbeitstage sind oft lang und Abhängigkeit von Wetter und Aufwuchs führt oft zu schlechter Planbarkeit, die dann in Überstunden resultiert. Dies gilt im Besonderen für Ernte und Stallarbeit, aber bei weitem nicht nur dort. Diese Arbeitsbedingungen hinterlassen Spuren im Privatleben – wenn man in der Erntezeit nie rechtzeitig zum Familienessen daheim ist, wenn samstags und auch sonntags gearbeitet werden muss, obwohl die Kinder vielleicht ein Event haben, in Familie oder Nachbarschaft ein Fest ansteht oder ein Pflegefall Aufmerksamkeit erfordert. Hinzukommen psychische Faktoren: Oft arbeitet man weitgehend alleine, ohne Kontakt zu und Austausch mit Kolleginnen oder Kollegen. Und viele Menschen blicken herab auf landwirtschaftliche Berufe – was in der Freizeit, beispielsweise im Sportverein oder bei anderen Aktivitäten – zu negativen Gefühlen führen kann.
Wenn es nicht möglich ist, pünktlich um 17 Uhr das Büro zu verlassen, wenn die Arbeit sich massiv auf die Freizeit auswirkt, dann kann die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gestört sein. Die Work-Life-Balance ist nicht mehr ausreichend vorhanden. Nun lassen sich viele Faktoren in der Landwirtschaft nicht oder nur schwierig ändern – beispielsweise Wetter oder Erntezeitpunkt. Dennoch gibt es Möglichkeiten, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben auch in der Landwirtschaft zu fördern. Dazu braucht es gezielte Maßnahmen, die auf die jeweiligen betrieblichen Anforderungen angepasst sind. Aber vor der Beschäftigung damit sei Betriebsleitern und -leiterinnen dringend angeraten, eine Analyse der Situation vorzunehmen. Deren wichtigstes Element ist sehr schlicht: Mit der Belegschaft sprechen. Denn unabhängig von den mannigfach unterschiedlichen konkreten Situationen auf den Höfen gibt es doch überall ein verbindendes Element: Es geht darum, die Beschäftigten dabei zu unterstützen, mit dem anstrengenden Arbeitsalltag besser klar zu kommen. Und wer wüsste besser, was hilfreiche Maßnahmen sein könnten, als die Betroffenen selbst?
Möglichkeiten zur Verbesserung der Work-Life-Balance gibt es einige:
Flexibler zu Arbeiten ist ein häufig genannter Wunsch von Beschäftigten. Und eine in der Landwirtschaft oft gut umsetzbare Maßnahme – wegen der oft schwankenden Arbeitsmenge. Manche Betriebe verlangen auch in arbeitsärmeren Zeiten Anwesenheit des Personals, dann werden Arbeitsspitzen zu Überstunden. Genauso gut lässt sich das Schwanken des Arbeitsaufkommens aber als Gleitzeitmodell gestalten: Wenn weniger los ist im Betrieb, bekommen die Beschäftigten mehr frei und können sich dann besser um Kinder, pflegebedürftige Angehörige oder Freizeitinteressen kümmern.
Klagen die Beschäftigten hingegen mehr über die hohen körperlichen Belastungen, dann ist es vielleicht mal wieder Zeit für Investitionen am Hof – etwa in Hebehilfen, Geräte zur Erhöhung der Effizienz oder solche, die Arbeiten übernehmen – beispielsweise Stallroboter zur Fütterung oder Entmistung. Ebenso könnten Angebote für Gesundheits- oder Sportkurse und Gesundheitschecks, deren Kosten der Betrieb übernimmt, helfen.
Auch Homeoffice kann eine Möglichkeit sein: Verwaltungstätigkeiten (etwa Dokumentation) können ohne allzu großen Aufwand über Cloud-Lösungen abgewickelt werden – manchmal sogar mittels Handy statt Computer. Schließlich ist auch die Schaffung einer positiven Arbeitskultur nicht nur im Bällebad von Softwarefirmen möglich. Da kann auch schon ein wöchentlich oder monatlich fixer Treffpunkt ausreichen, um Kommunikation im Team, Erholung, Zusammenhalt und eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, in der sich die Belegschaft wertgeschätzt fühlt. Last but not least können auch Weiterbildungen und Qualifizierungen sich positiv auf die Zufriedenheit der Beschäftigten auswirken – und gleichzeitig die Performance des Betriebs verbessern.