Machtspiele am Arbeitsplatz

Die Hierarchien sind flach, wir haben uns alle lieb, Respekt und Vernunft bestimmen die kooperativen Teamworking-Strukturen: So sieht die moderne Arbeitswelt in der Theorie aus. In der Praxis ist es oft genug ganz anders, denn viele Menschen spielen Machtspiele.
Veröffentlicht am 11.10.2022
Machtspiele am Arbeitsplatz

Wenn Vorgesetzte oder Teamkollegen in Ihr Büro kommen und sich gemütlich auf die Ecke Ihres Schreibtisches setzen, kann das zwei Bedeutungen haben: Im besseren Fall besteht ein echtes Vertrauensverhältnis und die Geste bedeutet nicht mehr als Nähe suchen, lässig sein, sich zwanglos verhalten. Genauso gut kann aber die unterschwellige Botschaft transportiert werden, dass die Person sich das Recht nimmt, in Ihr Revier einzudringen und damit zu zeigen, dass sie Macht hat, einen höheren Rang. Noch deutlicher wäre, sich auf Ihren Stuhl zu setzen, wenn Sie gerade nicht im Raum sind, und dort auf Sie zu warten. Im Extremfall noch dadurch gesteigert, dass der Stuhl auch bei Ihrer Rückkehr nicht freigegeben wird. Die Symbolik ist in beiden Beispielen klar: Eine Person nimmt sich das Recht, im Revier einer anderen die Regeln zu bestimmen, deren Raum zu beschneiden oder gar zu besetzen.

Das Beispiel ist nur eines von vielen Möglichkeiten, Machtspiele zu spielen und Machtkämpfe zu führen. Trotz aller Versuche neue, kooperative Arbeitsformen zu etablieren, dürfte jeder und jede früher oder später einmal mit dieser Problematik konfrontiert sein. Für Überlegungen zum Umgang damit ist es zunächst einmal wichtig, die Art der Auseinandersetzung zu kategorisieren. Denn viele Menschen wollen Karriere machen und konkurrieren deshalb zwangsläufig mit anderen. So eine Konkurrenzsituation muss aber nicht eskalieren oder, wie es heute heißt, toxisch werden. Eine faire und offene Konkurrenz ist möglich. Aber es gibt eben auch immer wieder die Fälle, bei denen eine Führungskraft oder ein Kollege, eine Kollegin, mit unfairen Methoden spielt. Und dann gibt es, noch schlimmer, jene Beschäftigten, die Machtspiele und Machtkampf als Selbstzweck betreiben, weil ihre Psyche so gestrickt ist, es ihnen Freude bereitet oder warum auch immer. Wenn Sie das Gefühl haben, in Machtspiele verwickelt zu werden, dann können die folgenden Überlegungen helfen.

Analyse Um strategisch zu handeln, müssen Sie zuerst wissen, was los ist. Eine Analyse kann durch Aufzeichnungen sehr unterstützt werden, weil so leichter bestimmte Muster erkannt werden. Es ist sinnvoll, sich mit einer vertrauten Person auszutauschen, weil Machtspiele oft so subtil daher kommen, dass ein Blick von außen mehr erkennt als Ihr eigener. Und auch weil sich Menschen immer wieder über die Motivation anderer täuschen und sich vielleicht als Opfer eines Machtkampfes sehen, der gar nicht existiert.

Ausweichen Niemand zwingt uns, auf die Machtkämpfe anderer einzugehen. Wenn Sie Ihre Arbeit in Ordnung haben und das Verhalten Ihres „Gegners/Gegnerin“ nicht allzu belastend ist, dann ist Ignorieren und Ausweichen oft die beste Methode, um Machtkämpfe ins Leere laufen zu lassen. Denn zu gewinnen gibt es nicht viel und ob ein möglicher Gewinn in Relation steht zu den Risiken und zum Aufwand, den ein Machtkampf bedeuten kann, ist die Frage. Wer die Machtspielchen eines Anderen erkannt und durchschaut hat, kann sich oft einfach zurücklehnen und amüsiert zuschauen. Erinnern Sie sich an die bei Kindern beliebten Klingelstreiche – Nachbarn, die jedes Mal die Tür öffnen und sich ärgern sind beliebtere Ziele als jene, die den Streich wegignorieren.

Verteidigung Natürlich hat das Ausweichen seine Grenzen dort, wo Machtspiele Ihnen und Ihren Projekten schaden. Dann müssen Sie etwas unternehmen. Auch dafür ist ein sauber aufgeräumtes eigenes Haus die wichtigste Basis. Darauf aufbauend sollten Sie bei der Wahl Ihrer Mittel fair sein – denn nur wenn Sie sich mit erlaubten Mitteln wehren, kann Ihnen nicht irgendwann aus dem eigenen Verhalten ein Strick gedreht werden. Vertreten Sie Ihre Position und Meinung offen, lassen Sie Ihre Erfolge, Leistungen und Aufgaben transparent für sich selbst sprechen und stehen Sie auch dazu, wenn Sie mal einen Fehler gemacht haben. Transparenz ist eines der besten Mittel gegen Angriffe, hingegen sind Versuche, etwas zu verstecken oder geheim zu halten, Einfallstore für neue Angriffe.

Angriff Wenn auch das nicht hilft, dann bleibt nur noch der Gegenangriff. Aber auch dann gilt: Lassen Sie sich nicht auf das oft erschreckend niedrige Niveau vieler Machtkämpfer ein. Wenn Sie sich mit Kolleg:innen oder Führungskräften auf dem Niveau von Schulhofstreitigkeiten bekämpfen, wirkt das auf Außenstehende abschreckend und fördert in der Regel nicht das Vorankommen. Da können Sie noch so oft Recht haben. Wenn Sie Angriffe also nicht einfach an sich abprallen lassen können oder wollen, sondern sich zur Wehr setzen möchten, ist ein erster guter Rat die Dokumentation der Handlungen der Gegenseite. Damit können Sie im zweiten Schritt auf Ihr Gegenüber zugehen und – unter vier Augen – sachlich darauf hinweisen, dass das dokumentierte Verhalten Ihre Arbeit behindert und zu unterlassen ist. Und Sie können darauf hinweisen, dass Sie im Falle einer Fortdauer die Problematik bei den Vorgesetzten zur Sprache bringen werden. Oft hemmt so eine offene, aber gesichtswahrende (unter vier Augen!) Konfrontation Machtspieler daran, ihr Handeln fortzusetzen. Falls nicht ist die Dokumentation eine gute Basis für das Gespräch mit Führungskräften. Das hat dann auch nichts mehr mit Verpetzen zu tun, denn Sie haben zuvor versucht, die Auseinandersetzung gütlich zu beenden. Auch wenn es eine Führungskraft ist, die Sie in Machtspiele verwickelt, funktioniert das, denn Führungskräfte haben in der Regel ebenfalls Vorgesetzte. Schließlich sind Betriebs- oder Personalrat auch Adressen, bei denen Sie um Hilfe nachsuchen können, gerade in der Auseinandersetzung mit Vorgesetzten.

Versetzung statt Verstrickung Hilft all das nicht, wird es Zeit, über Versetzung oder Jobwechsel nachzudenken. Lassen Sie sich nicht in langwierige Auseinandersetzungen und Intrigen verstricken, das bringt nur selten einen echten Erfolg. Versuchen Sie mit kühlen Emotionen an die Problematik heran zu gehen: Sie wollen Ihre Arbeit vernünftig und erfolgreich erledigen und sich nicht in Psycho-Macht-Spielchen verstricken. Ihr Ziel ist nicht, einen Krieg zu gewinnen. Deshalb ist es auch keine Niederlage, wenn Sie zu dem Entschluss kommen, dass eine Abteilung oder ein Unternehmen, in dem solche Machtspiele geduldet werden, nicht das Umfeld ist, in das Sie Ihre Energie stecken wollen. Sondern es ist ein Zeichen eigener Stärke, sich einen Platz zu suchen, an dem Sie in Ruhe und erfolgreich das tun können, was Ihre Aufgabe ist.