Quiet quitting

In den letzten Monaten hat auf Karriereseiten und in Suchmaschinen der Begriff „quiet quitting“ eine steile Karriere hingelegt. Wie ernst muss man diesen Hype nehmen?
Veröffentlicht am 26.04.2023
Quiet quitting

Kurzes Nachschlagen bei Google-Trends: Anfang August 2022 erwacht das Interesse am Suchbegriff „quiet quitting“ in Deutschland, hat einen kurzen Höhenflug während des Spätsommers und dann nochmals Mitte Januar. Seither sind die Suchanfragen wieder abflauend. In der weltweiten Google-Suche beginnt der raketenhafte Aufstieg des Wortes etwas früher Ende Juli. Es folgt ein steiler Anstieg für etwa einen Monat, seither hat sich der Suchtrend auf einem schwankenden Band deutlich unterhalb des Spitzenwerts eingependelt. Alleine schon diese Kurve der Suchverläufe ist ein starkes Indiz dafür, dass es hier mehr um einen kurzfristigen Hype als um einen langfristigen Trend geht. Ein weiteres: Offenbar wurde der Begriff über TikTok und Foren auf Reddit bekannt, bevor Medien mit großer Reichweite ihn aufgriffen. Allerdings: Völlig frei von einer echten Basis ist auch dieser Hype nicht.

Stille Kündigung? Oder doch eher Dienst nach Vorschrift? Wie der Begriff zu übersetzen ist, ist ein beliebter Subdiskurs. Mittlerweile scheint man sich auf Dienst nach Vorschrift geeinigt zu haben. Praktisch alle Texte zum Thema sind sich darin einig, dass die sogenannten „Quiet quitters“ ihre Arbeit gerne erledigen. Allerdings der Meinung sind, dass es mit dem Erfüllen ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten dann auch gut ist. Überstunden? Ach nee, lieber nicht! Noch ein Extra-Projekt, um die Karriere zu pushen? Nein danke! Das ist keine innere Kündigung, sondern die Einstellung, seinen Verpflichtungen bestmöglich nachzukommen. Aber eben auch nicht mehr als das. Hat man das erst mal verstanden, ist der Begriff quiet quitting schon kräftig entzaubert.

Denn es scheint vor allem die junge Generation zu sein, die zu dieser Einstellung tendiert. Also die Leute, die wissen, dass sie in Zeiten des Fachkräftemangels äußerst gefragt sind. Die zu einem erheblichen Teil aufwachsen mit dem Bewusstsein für den Klimawandel und die planetaren Grenzen. Denen Work und Life gleichviel wert sind. Die durchaus brennen für ihre Tätigkeit, aber mit der gleichen Leidenschaft auch ihr Privatleben leben und aus all diesen Gründen eben sehr viel weniger als die Generationen vor ihnen die Notwendigkeit sehen, ständig eine Extra-Meile zu gehen, noch ein paar Überstunden mehr als letzten Monat zu machen und auch am Wochenende oder spät am Abend Mails zu schreiben und an Zoom-Calls teilzunehmen.

Was bedeutet das für Unternehmen und Personalabteilungen? Zuerst wohl einmal, dass sie nicht sonderlich besorgt sein sollten über den vermeintlichen Trend quiet quitting. Denn der ist nicht so neu, wie das Buzzwort signalisiert und auch nicht zwingend gefährlich für den Unternehmenserfolg. Verantwortungsvoll handelnde Unternehmen gehen sowieso davon aus, dass Beschäftigte, die ihre vertraglich festgelegten Pflichten gut erfüllen, das tun wofür sie eingestellt wurden. Und sicherlich werden die wenigsten Beschäftigten ihr Team in Notsituationen hängen lassen und dann auch zu Überstunden oder anderem außergewöhnlichen Engagement bereit sein. Wer hingegen ständigen übermäßigen Arbeitsdruck als Normalsituation betrachtet, darf sich nicht wundern, wenn seine Leute das mit Dienst nach Vorschrift beantworten.

Und in Zeiten des Fachkräftemangels ist es in gut geführten Unternehmen sowieso schon längst angekommen, dass man sich um die stets knapper werdenden Fachkräfte eben mehr bemühen muss als vor 10 oder 20 Jahren, als das Verhältnis zwischen freien Stellen und verfügbaren Arbeitskräften noch günstiger für die Betriebe war. Wer seine Arbeitsorganisation und seinen Umgang mit dem Personal darauf noch nicht eingestellt hat, ist spät dran und sollte den Hype um das quiet quitting zum Anlass nehmen, seine Personalstrategie zu überdenken. Alle anderen können entspannt bleiben.