Lost im Homeoffice

Nach über einem Jahr Pandemie haben wir viel Erfahrung mit dem Homeoffice gesammelt. Und es gibt mehr Befragungen und Studien, die bei aller Unterschiedlichkeit meist doch zwei Erkenntnisse gemein haben: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Aber die Nachteile werden deutlicher. Einer der wohl wichtigsten ist das Thema Isolation.
Veröffentlicht am 26.05.2021
Lost im Homeoffice

Der kurze Plausch an der Kaffeemaschine, das gemeinsame Mittagessen, der Flurtratsch im Büro – viele Menschen haben erst mit der Pandemie und im Homeoffice gemerkt, welche Rolle diese informelle Kommunikation spielt. Selbst wenn sie auch mal genervt hat – jetzt wird sie vermisst. 38 Prozent der Befragten empfinden ein zunehmendes Gefühl der Isolation im Homeoffice, so der Büromöbelhersteller Steelcase. Er hat während der Pandemie mehr als 32.000 Menschen in zehn Ländern befragen lassen. Unter den deutschen Angestellten im Homeoffice sind ein erheblicher Anteil (43 Prozent) häufig unzufrieden mit dieser Arbeitsform. Aber fast alle (95 Prozent) geben an, auch künftig teilweise zuhause und teilweise im Büro arbeiten zu wollen. Demnach berichtet fast ein Viertel von langsameren Entscheidungen und knapp 20 Prozent von nachlassender Produktivität und Engagement. Aber es ist nicht alles schlecht im Homeoffice: Knapp ein Drittel freut sich über den eingesparten Arbeitsweg, je 22 Prozent empfinden sich als konzentrierter und schätzen die bessere Work-Life-Balance und 16 Prozent die höhere Flexibilität.

Die Krankenkasse DAK wiederum hat herausgefunden, dass Krankschreibungen wegen psychischen sowie Muskel-Skelett-Erkrankungen 2020 auf einem neuen Höchststand waren. Fast jeder vierte Fehltag – fünf Prozent mehr als 2019 – ging nach der DAK-Statistik auf Muskel-Skelett-Probleme wie etwa Rückenschmerzen zurück. Die Krankenkasse gibt an, dass die Menschen im Homeoffice zu lange und mit zu wenig Bewegung vor dem Bildschirm sitzen. Möbelhersteller Steelcase interessiert dieser Punkt natürlich besonders: Laut deren Umfrage steht 30 Prozent der Befragten kein bequemer Arbeitsplatz zur Verfügung. Wobei die Führungsebene es besser hat: 74 Prozent der leitenden Angestellten oder der Geschäftsführung arbeiten laut Steelcase immer oder fast immer am Schreibtisch, 69 Prozent sitzen dabei auf einem ergonomischen Arbeitsstuhl. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Unternehmensebenen arbeiten zwar auch oft (67 Prozent) am Schreibtisch, aber nur 49 Prozent haben einen guten Arbeitsstuhl.

Laut der Hans-Boeckler-Stiftung waren im April 2020 ein gutes Viertel der Erwerbspersonen ausschließlich oder überwiegend im Homeoffice. Im Juni, November und Dezember 2020 lag dieser Wert bei nur 14 bis 17 Prozent, ist dann aber im Januar 2021 wieder auf 24 Prozent gestiegen. Das deckt sich in etwa mit dem Forschungsbericht „Verbreitung und Auswirkungen von mobiler Arbeit und Homeoffice“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Dieser hat die Thematik vor und während Corona untersucht. Demnach haben Befragungen 2019 Werte zwischen 11 und 20 Prozent Homeoffice-Nutzung ergeben, wobei die höheren Werte mutmaßlich durch andere Bewertung (gelegentliche Nutzung von Smartphone und Tablet zuhause und unterwegs als Homeoffice/mobiles Arbeiten angegeben) zustande kommt. Im Sommer 2020 seien dann 36 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice gewesen, so das Ministerium. Inhaltlich ist diese Untersuchung noch enger an den zuvor zitierten dran: Nutzer und Nutzerinnen des Homeoffice schätzen die höhere Flexibilität, teils auch Konzentration und den Wegfall der Fahrtzeiten. Teilweise lassen sich, so die Studie, Vorteile in Sachen Produktivität, Erreichbarkeit und Bindung an den Arbeitgeber sogar empirisch nachweisen. Aber der Forschungsbericht stellt eben auch fest die mangelnde informelle Kommunikation, die zu Isolation und Stress führen kann. Laut Befragung vom Sommer 2020 sagen aber 87 Prozent, dass sie im Großen und Ganzen zufrieden sind mit Homeoffice und 93 Prozent, dass sie auch nach der Pandemie weiter zuhause arbeiten wollen. Aber zwei Drittel wollen dies nur teilweise im hybriden Modell: Einige Tage zuhause, einige Tage im Büro. Büromöbelhersteller Steelcase hatte ebenfalls nach der Zukunft des Homeoffice gefragt: Bei Beschäftigten wie bei Unternehmen hatten jeweils 72 Prozent für einen Tag Homeoffice in der Woche plädiert.