Onboarding will gut durchdacht sein

Horror oder herzlich: Wie neue Mitarbeiter die erste Zeit im Unternehmen erfahren, kann gut durchdachtes Onboarding steuern.
Veröffentlicht am 04.02.2021

Der erste Tag im neuen Job. Als wäre der Stress des Neuanfangs noch nicht genug, ist der Arbeitsplatz nicht eingerichtet, der direkte Vorgesetzte weiß von nichts und mault genervt herum, Zeit, den Neuen einzuweisen, hat eh keiner – ein Gruselszenario. Leider eines, das viele Angestellte nur zu gut kennen.

Dabei könnte es so einfach sein: Die neue Kollegin wird herzlich begrüßt, am startklaren Arbeitsplatz wartet ein Willkommenspaket mit allen notwendigen Zugängen und Informationen, der Vorgesetzte führt Sie herum und stellt Sie in der Abteilung vor. Damit wäre für alle Beteiligten ein guter Anfang gemacht. Kaum eingestellt, schon wieder weg. Denn ein gelungener Auftakt zum Onboarding, also die Aufnahme und Integration in den Betrieb, ist nicht nur für die Neuzugänge eine Erleichterung. Auch der Arbeitgeber profitiert, wenn das aufwendige Recruiting nicht für die Katz war, weil der Neue gleich abgeschreckt wird und schleunigst wieder kündigt. Ein gutes Onboarding beginnt sogar schon vor dem ersten Arbeitstag.

Und auch das ist keineswegs übertriebener Klimbim: Treten doch laut einer Studie der Haufe-Gruppe 30 Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter den Job gar nicht erst an. Erstaunlich also, dass professionelles Onboarding in Unternehmen noch ein Schattendasein führt.

Wie sieht nun ein gelungenes An-Bord-Holen aus?

So geben laut der Umfrage von Haufe im Jahr 2019 unter rund 600 Personalverantwortlichen 77 Prozent an, ihr Onboarding sei verbesserungsfähig. 88 Prozent haben kein extra Budget dafür. In deutlichem Gegensatz dazu steht die Erfahrung der HR-Fachleute: 94  Prozent der Befragten sind überzeugt, dass Onboarding die Integration neuer Mitarbeiter verbessert.

Es fängt damit an, zwischen Zusage und Arbeitsantritt keine Funkstille einkehren zu lassen. Der neuen Mitarbeiterin eine freundliche Begrüßungsmail mit Infos zum Unternehmen und zum ersten Arbeitstag zu senden oder ein Telefonat ist der erste Schritt. Hierbei empfiehlt sich ein fester Ansprechpartner – Mentor oder Buddy genannt –, der für alle Fragen zur Verfügung steht

Sollte ein Umzug nötig sein, kann der neue Arbeitgeber punkten, indem er Mitarbeiter etwa bei der Wohnungssuche oder dem Umzug selbst unterstützt. Ein Einarbeitungsplan, der die erste Zeit systematisch vorbereitet, sollte frühzeitig erstellt werden. So wird der Neue gleich eingebunden und muss sich nicht im Chaos seine Aufgaben zusammensuchen. Selbstverständlich sollte es sein, dass Zugänge, Passwörter, Arbeitsplatz usw. pünktlich zum ersten Arbeitstag bereitstehen.

Auf Dauer anlegen

Ist es dann so weit, wirken ein freundliches Willkommen, ein Blumenstrauß, eine Grußkarte Wunder. Mentoren und/oder Vorgesetzte sollten sich die Zeit nehmen, die Neuen herumzuführen, ihnen alles Wichtige zu zeigen und sie vorzustellen. Eine Einführung in die neuen Aufgaben und ein gemeinsames Mittagessen mit den nächsten Kollegen gehören ebenso dazu.

Gut gemeint, aber kontraproduktiv ist eine Überfrachtung mit Infos am ersten Tag. Die Neuen brauchen auch Zeit und Ruhe, sich mit ihren Aufgaben und der neuen Umgebung vertraut zu machen. Über die erste Woche verteilt können Dinge wie Sicherheitsbestimmungen, wichtige Unterlagen oder weitere Kontakte vermittelt werden. Insgesamt, so schätzen Fachleute, dauert es circa ein Jahr, bis ein neuer Mitarbeiter wirklich im Betrieb angekommen ist.

Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur die ersten Tage gut strukturiert sind. Onboarding ist ein Ausdauersport. Dabei ist ein Gleichgewicht zwischen standardisiertem und individuellem Boarding wichtig: Ein Berufsanfänger hat andere Bedürfnisse als eine langjährige Führungskraft. Wie läuft’s denn so? Wichtig sind auf lange Sicht regelmäßige Feedback-Gespräche, bei denen die neue Kollegin auch Fragen und Wünsche einbringen kann. Die persönliche Aufmerksamkeit wirkt wertschätzend – eine E-Mail mit der Frage: „Wie läuft es denn so?“ ein paar Wochen nach Jobantritt ist dagegen keine gute Idee.

Die Mentorin, der Buddy sollten die Neuen ebenfalls über längere Zeit begleiten, sie etwa bei der Netzwerkbildung und der sozialen Eingliederung unterstützen. Mitarbeiter-Events, Hospitationen in verschiedenen Abteilungen oder Bereichen sowie interne Fortbildungen, alles natürlich abhängig von der Betriebsgröße und den Möglichkeiten, gehören in den Prozess.

Ebenso Außentermine, etwa bei Kunden, Geschäftspartnern oder auf Messen, zu denen die Neuen so früh wie möglich mitgenommen werden sollten. Für die Gestaltung des Onboardings ist auch Software auf dem Markt, wird aber laut der Haufe-Umfrage bislang noch selten genutzt. Die Tools bieten von der To-do-Liste für Vorgesetzte und Mentoren über Lernblöcke, Videos oder spielerische Module bis zu Feedback-Systemen Unterstützung für den Prozess. Sie können und sollten dabei keinesfalls das persönliche Kümmern ersetzen, können aber eine Hilfe bei der Strukturierung sein.

Hat das Onboarding geklappt, stimmen idealerweise nicht nur das Fachliche und der alltägliche Umgang. Identifiziert sich der Neue mit dem Unternehmen, spricht er von „wir“, wird er zum „Markenbotschafter“, ist die Integration sicherlich geglückt. Der Neue ist jetzt gar nicht mehr so neu, sondern auf dem besten Weg, ein motivierter, produktiver „alter Hase“ zu werden.