Arbeitgebersiegel: Was bringen sie?

Siegel sind weit verbreitet, auf vielen Produkten finden sich solche kleine Logos. Sie sollen Premium-Qualität demonstrieren und zur Kaufentscheidung beitragen. Und tatsächlich reagieren Menschen auf Siegel oft positiv, das haben etliche Studien belegt. Gilt das auch für die vielen Arbeitgebersiegel, die Dienstleister meist teuer verkaufen?
Veröffentlicht am 30.01.2023
Arbeitgebersiegel: Was bringen sie?

Eines der bekanntesten Siegel in Deutschland ist das sechseckige für biologisch erzeugte Lebensmittel. Es basiert auf einer in deutsches Recht umgesetzten europäischen Verordnung und wird nach detaillierten Vorgaben vergeben. Lebensmittelhersteller und Agrarbetriebe, die das Siegel führen, müssen mit Kontrollen ihrer Angaben rechnen und die missbräuchliche Verwendung kann mit Geld- und sogar Freiheitsstrafen sanktioniert werden. Das 2001 eingeführte Siegel genießt nach gut 20 Jahren viel Vertrauen bei Verbrauchern und Verbraucherinnen.

Was liegt für Unternehmen näher, als sich mit einem ebenso einfach verständlichen Siegel als guter Arbeitgeber zu präsentieren und so Vorteile im Kampf um die raren Fachkräfte zu erlangen. Dieser grundsätzlich gute Gedanke wird von zahlreichen Anbietern aufgegriffen, die Arbeitgebersiegel verleihen. Allerdings mit weniger Erfolg als beim Bio-Siegel und das fängt schon mit dem Wörtchen „zahlreiche“ im vorige Satz an. Je nach Quelle gibt es bis zu 300 verschiedene Arbeitgebersiegel. Kriterien zur Vergabe legen nur wenige offen, eine staatliche Rechtsgrundlage für die Vergabe gibt es nicht. Im Gegenteil sind unter den zahlreichen Anbietern solcher Arbeitgebersiegel einige, bei denen es vor allem um das Geldverdienen geht. Denn die Preise für die Vergabe solcher Siegel sind in der Regel vierstellig, Kosten um 10.000 Euro oder mehr nicht selten.

Personalabteilungen bekommen viele Angebote, ihr Unternehmen mit so einem Arbeitgebersiegel auszeichnen zu lassen. Siegel können im Ringen um die Aufmerksamkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für Stellenangebote einen Nutzen haben. Menschen sind empfänglich für einfache, schnell zu erfassende Informationen und Siegel leisten genau das. Insofern können sie ein Blickfänger sein – nie aber ein Allheilmittel.

Wer sich zertifizieren lassen will, sollte sich vorher gut informieren und sich Gedanken darüber machen, ob ein Siegel zur eigenen Personalarbeit passt. Die hohe Zahl der Siegelanbieter hat zur Differenzierung der Angebote geführt. Wer keine Auszubildenden sucht, braucht auch kein Label als Top-Ausbildungsbetrieb. Weiter sollte die Reputation und vor allem die Bekanntheit der Siegel verglichen werden – dann bleiben schnell nur noch ein oder zwei Dutzend übrig. Ein Blick auf Vergabeprozess und/oder Kriterien ist sinnvoll, ebenso Überlegungen dazu, ob es eine Übereinstimmung zwischen dem, was das Siegel verspricht bzw. positiv hervorhebt und der gelebten Unternehmenspraxis gibt. Wer Arbeitsbedingungen hat, bei denen die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben schwierig ist, braucht nicht mit einem Siegel für sich zu werben, dass die Familienfreundlichkeit in den Vordergrund stellt. In einer Masterthesis von Oliver Scharfenberg, Geschäftsführer bei der SQC-QualityCert UG, wird deutlich, dass selbst die bekanntesten deutschen Arbeitgebersiegel bei gut der Hälfte der befragten Personen unbekannt waren. Und dass höchstens ein Drittel, meist aber sehr viel weniger, diese Siegel für vertrauenswürdig halten. SQC bietet selbst Arbeitgebersiegel des „Deutschen Instituts für Qualitätsstandards und -prüfung e.V.“ an wie etwa die Siegel "Top Arbeitgeber (DIQP), "Top Ausbildungsbetrieb (DIQP)" und "Familienfreundlicher Arbeitgeber (DIQP)". Die Wirtschaftswoche berichtete bereits 2016 über eine Untersuchung, laut der Arbeitgebersiegel, aber auch Bewertungsplattformen oder Rankings für die Mehrheit von 3000 befragten Bewerberinnen und Bewerbern wenig bis keine Relevanz hat. Häufig wird deren Glaubwürdigkeit angezweifelt, zudem waren damals sehr viele den Befragten schlicht nicht bekannt.

Mit der Siegelthematik sind weitere Probleme verbunden: So sind etliche der Siegel laut der Deutschen Handwerkszeitung vor allem auf große Unternehmen zugeschnitten und benachteiligen kleine und mittlere. Außerdem haben Siegel, die mit Befragungen der Beschäftigten operieren, ein grundsätzliches Problem: Wie wahrheitsgetreu sind die Antworten? Selbst bei anonymen Umfragen könnten Beschäftigte aus Angst vor einer Deanonymisierung unaufrichtig sein. Und viele Menschen äußern leichter negative als positive Kritik, beschweren sich schneller als zu loben. Auch dies kann zu verzerrten Ergebnissen führen.

Zwei Praxistipps zum Abschluss: Wer sich für ein Siegel entscheidet, mit dem eine Untersuchung der eigenen Arbeitsbedingungen verbunden ist, diese ernst nimmt und auf Basis der Ergebnisse die eigenen Strukturen verbessert, erreicht damit auch eine bessere Position als Arbeitgeber. Das kann man natürlich auch ohne Siegelanbieter angehen, aber die Aufmerksamkeit eines Siegels zu nutzen, wenn man sich sowieso verbessern will, bietet sich an. Und wer sich nicht auf Siegelanbieter einlassen will, kann schlichtweg seine Beschäftigten dazu ermutigen, auf Portalen wie LinkedIn, Glassdoor oder Kununu/Xing das eigene Unternehmen zu bewerten. Das kostet außer ein bisschen Aufwand und Zeit fast nichts, kann aber viel bringen. Hier gilt aber: Fair bleiben, wer Bewertungen fälscht, kauft oder mit Druck erzwingt riskiert einen großen Reputationsschaden im Falle der Entdeckung.