Vaterschaftsurlaub per Gerichtsurteil?

Das Recht auf Urlaub für Mütter vor und nach der Geburt ist schon lange Standard. Nach dem Willen der EU sollen auch Väter das Recht auf einen Vaterschaftsurlaub bekommen – aber die Bundesregierung setzt das nicht fristgerecht um. Nun hat ein Vater Klage eingereicht.
Veröffentlicht am 17.07.2024
Vaterschaftsurlaub per Gerichtsurteil?

Zwei Wochen Sonderurlaub für Väter direkt nach der Geburt, das will die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag einführen. Familienstartzeit wird das genannt. Eine 2019 verabschiedete EU-Regelung zur besseren Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf verlangt Vaterschaftsurlaub. Deutschland hätte bis 2022 Zeit gehabt, diese Richtlinie (2019/1185) in nationales Recht umzusetzen. Doch der Entwurf hängt in der Ressort-Abstimmung und angesichts der globalen Krisen und ihrer eigenen Streitbeziehung erscheint fraglich, ob die Koalition das wie versprochen dieses Jahr noch schafft.

Ein Vater aus Berlin will darauf nicht warten und hat Klage auf Schadenersatz eingereicht. Seine Argumentation: Nachdem er 2023 Vater geworden war, reichte er bei seinem Arbeitgeber einen Antrag auf Sonderurlaub ein, den dieser aber zurückwies. Er sei deshalb gezwungen gewesen, einen Teil seines normalen Erholungsurlaubs zu verwenden, um diese laut der wissenschaftlichen Forschung sehr wichtigen Zeit für Neugeborene mit Mutter und Kind statt auf der Arbeit zu verbringen. Dadurch sei ihm ein Schaden entstanden und dafür fordert der Mann Schadenersatz von der Bundesrepublik.

Juristisch, da scheinen sich die Fachleute einig, steht die Klage auf tönernen Füßen. Denn EU-Verordnungen sind kein bindendes Recht, das einklagbar ist. Davor müssen diese in nationales Recht umgesetzt werden. Deshalb könne der Mann sich seinem Arbeitgeber gegenüber nicht auf die EU-Verordnung berufen, so die einhellige Meinung. Dennoch gibt es mittlerweile auch Rechtsdienstleister, die offensiv um Kunden für Schadenersatzklagen werben, angeblich ohne Kostenrisiko.

Dass eine Gerichtsentscheidung also die Einführung des Vaterschaftsurlaubs bringen kann, ist wenig wahrscheinlich. Aber vielleicht geht es dem Kläger darum ja auch gar nicht, sondern um politisch-medialen Druck. Das darf man getrost einer Initiative von mehr als 30 Institutionen – darunter Sozialverbände ebenso wie große Unternehmen – unterstellen, die in einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz und das Bundeskabinett die Familienstartzeit fordern. Die Bundesarbeitgebervereinigung lehnt Mehrbelastungen allerdings ab. Finanziert werden soll die Familienstartzeit wie auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, also ohne Einbußen für die Beschäftigten. Druck übt auch das von der EU eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren auf Deutschland aus. In anderen europäischen Ländern ist die Regelung längst umgesetzt, in Finnland beispielsweise mit sage und schreibe neun Wochen Sonderurlaub für frisch gebackene Väter. Andere Länder gestehen drei oder vier Wochen zu.

In Deutschland gibt es bisher nur die Möglichkeit, entweder richtige Elternzeit zu beantragen – die für Väter mindestens zwei Monate dauern muss – oder normalen Erholungsurlaub zu nehmen. Wie wäre es denn, wenn die Betriebe hier den Vorreiter geben und nicht auf die Bundesregierung warten? Zuletzt haben einige Tarifvereinbarungen oder auch Umfragen und Studien gezeigt, dass vielen Beschäftigten mehr freie Zeit und mehr Flexibilität wichtiger sind als Geld. Für Betriebe könnte die freiwillige Gewährung einer Familienstartzeit ein Instrument sein, mit dem sie im Kampf um junge Fachkräfte enorm punkten können, ohne dass es sie allzu viel kostet. Und schon gar nicht dauerhaft.