Kündigen für das Klima?

Conscious quitting trifft auch die Agrarbranche
Veröffentlicht am 19.09.2023
Kündigen für das Klima?

Ob nun „für das Klima“ oder „für eine bessere Welt“ gekündigt wird: Das Thema Conscious Quitting macht die Runde. Was ist dran und wie steht die Agrarwirtschaft da?

Etwas nüchterner betrachtet könnte man das aus dem englischsprachigen Raum zu uns überschwappende Phänomen Conscious Quitting auch übersetzen mit Kündigen, weil die Werte des Arbeitgebers nicht geteilt werden. Dabei kann es um Klimawandel und Umweltschutz gehen, aber auch um soziale Themen oder die Bereiche Diversität und Inklusion. Es ist nicht wirklich neu, dass Beschäftigte – gerade bei hochwertigen Stellenprofilen für gut ausgebildete Fachkräfte – sich ein Mindestmaß an Identifikation mit dem Handeln ihres Arbeitgebers wünschen. Es ist auch logisch, denn wer möchte schon den ganzen Tag lang Dinge erledigen, über die man dann abends nicht so sehr gerne mit Partner, Partnerin, Verwandten oder im Freundeskreis redet, weil man sie falsch findet. Um die Problematik richtig einzuschätzen, sollte man im Hintergrund an den Fachkräftemangel denken. Fachkräfte können sich immer mehr aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Das erleichtert es natürlich, wertebedingt die Stelle zu wechseln, auf bestimmte Unternehmenswerte bei Bewerbungen oder Jobzusagen zu achten und im besten Fall eine Firma zu finden, die ordentlich bezahlt, gute Arbeitsbedingungen bietet und zudem auch nachhaltige Werte vertritt.

Die Unternehmensberatung KPMG hat im Januar 2023 eine Befragung veröffentlicht, nach der rund die Hälfte der jüngeren Generation der britischen Beschäftigten es wichtig findet, dass ihre Firma sich im ESG-Bereich engagiert (Environmental, Social und Governance, im Deutschen häufig etwas schwammig als nachhaltige Unternehmensführung beschrieben). Immerhin 20 Prozent der 6000 Beschäftigten hat angegeben, bereits einmal den Job gekündigt zu haben, weil das Unternehmenshandeln nicht mit den eigenen Werten übereingestimmt hat. In der Gruppe der Jüngsten (18 bis 24) gaben dies sogar ein Drittel an. Untersuchungen des Beratungsunternehmens Universum oder der Bertelsmann-Stiftung zeigen auch für den deutschsprachigen Raum, dass Studierenden und jungen Beschäftigten nachhaltige Unternehmenswerte wichtig sind und eine Rolle spielen bei Job-Entscheidungen. In der internationalen Universum-Befragung von mehr als 50.000 Studierenden wurde nach ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit unterschieden – Ökologie war den jungen Menschen am wichtigsten. Laut dieser Studie spielt Nachhaltigkeit bei 80 Prozent der Studierenden eine Rolle, wenn sie entscheiden, wo sie arbeiten. Bei rund 20 Prozent der naturwissenschaftlichen Studierenden und der angehenden Ingenieure sogar die wichtigste. Eine Bertelsmann-Studie aus 2022 zeigt zwar etwas niedrigere Zahlen für nachhaltige Werte und höhere Relevanz für klassische Themen wie Gehalt oder Arbeitsatmosphäre, aber auch sie ermittelte einen Wert von 36 Prozent der Beschäftigten, denen Nachhaltigkeit im Handeln des Unternehmens wichtig ist. Immer noch ein erheblicher Anteil. Laut einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank ist für 81 Prozent der 20- bis 29-Jährigen in Deutschland die Haltung eines potenziellen Arbeitgebers zum Klima ein wichtiges Kriterium, für 18 Prozent gar das wichtigste. Mehr als die Hälfte der Befragten erwartet von möglichen Arbeitgebern nachhaltiges Handeln.

Was folgt daraus für die Agrarwirtschaft? Sich mit seinen Unternehmenswerten zu beschäftigen, ist aus vielen Gründen angeraten und die beschriebenen Studien liefern weitere. Die Landwirtschaft hat hier Pluspunkte, denn ohne sie gäbe es nichts zu essen, dieser Zusammenhang ist sehr klar und leicht zu kommunizieren. Auch jenseits der Nahrungsmittelproduktion kann die Landwirtschaft positive Auswirkungen ihres Handelns und damit sich selbst als attraktiven Arbeitgeber darstellen. Aber natürlich gibt es auch mögliche negative Themen, vom Pestizideinsatz bis hin zu Arbeitsbedingungen im globalen Süden oder auch bei Saisonarbeit hierzulande. Unternehmen sind gut beraten, wenn sie ihre Werte und ihr Handeln klar kommunizieren – alleine schon deshalb, weil sie dann eher Arbeitskräfte einstellen, die sich von vornherein gut identifizieren können. Das kann die Fluktuation senken und damit die Kosten des Personalwesens. Und es dürfte auch sinnvoll sein, das eigene Handeln gut zu erklären und die Beschäftigten darin aktiv einzubeziehen. Das kann deren Motivation und Bindung verbessern und den Aufbau von Unzufriedenheit, der dann irgendwann in eine Kündigung mündet, verringern.