Konflikte auf der Arbeit überwinden

Konflikte sind schrecklich und unbedingt zu vermeiden? Diese Haltung zeugt von Konfliktscheue – einem Verhalten, das den Umgang mit Konflikten schwieriger macht. Konflikte in Teams und Unternehmen sind allgegenwärtig, unvermeidlich und normal. Aber natürlich können sie fruchtbare und erfolgreiche Arbeit blockieren. Das zu verhindern, gelingt aber nicht durch die Vermeidung von Konflikten, sondern durch ein gutes Konfliktmanagement und eine strukturierte Konfliktlösung.
Veröffentlicht am 20.04.2022
Konflikte auf der Arbeit überwinden

Es erscheint daher sinnvoll, sich zunächst dem Entstehen von Konflikten zu widmen, bevor es an deren Lösung geht. Bekanntermaßen ist dieses Thema so komplex, dass sich viele Studien, Forschungen und nicht zuletzt in der Praxis auch Unmengen Coaches, Trainerinnen und Beratern der Konfliktlösung widmet. Deshalb können hier nur die wichtigsten Grundzüge zum Thema aufgezeigt werden. Schon die Wortherkunft vom lateinischen confligere = zusammentreffen, kämpfen zeigt die Komplexität: Dass ein Kampf meist nichts Gutes ist, liegt auf der Hand. Zusammentreffen hingegen ist vielschichtiger und kann positiv sein. So ist es letztlich auch mit Konflikten, die ein Projekt auch voranbringen können – wenn sie auf gute Art und Weise gelöst werden. Anzuerkennen, dass es Konflikte gibt, kann also durchaus ein Schritt nach vorne für Teams und Unternehmen sein.

Es gibt kein Thema, an dem sich keine Konflikte entzünden können. Unterschiedliche Einstellungen, Erwartungen, Interessen, Meinungen, Ansichten, Wünsche, Vorstellungen oder Ziele einzelner Menschen und Gruppen sind Auslöser für Konflikte auf allen Ebenen – von der Frage, wie oft im Büro gelüftet wird oder ob das Radio läuft bis zu entscheidenden Fragen wie etwa der Unternehmensstrategie. Wir alle sind unterschiedlich und tendieren dazu, die jeweils eigene Sicht für die richtige zu halten und durchsetzen zu wollen. Konflikte haben also Beteiligte, die verschiedenen Parteien, und Themen – eben Bürofenster offen oder zu. Hinzu kommen weitere Ebenen: Form des Konfliktes und Verhalten im Konflikt. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass Konflikte dynamisch verlaufen. Sehr oft werden sie in vier Phasen eingeteilt:

Phase 1        Entstehung

Phase 2        die Parteien erkennen, dass es einen Konflikt gibt

Phase 3        Reaktionen im Denken und Fühlen führen zu Handlungen

Phase 4        Interaktion zwischen Konfliktparteien mit verschiedenen Stilen

Natürlich gibt es auch schon zwischen Phase 1 und 2 Handlungen, die vom Konflikt beeinflusst sind – dadurch werden sich die Parteien oft des Konfliktes bewusst. Aber diese sind für die Konfliktlösung nicht von Interesse, da vor der Wahrnehmung eines Konfliktes nicht an ihm gearbeitet werden kann. Die Phasen 3 und 4 bieten dagegen Ansatzpunkte für die Konfliktlösung, weil die aus den Reaktionen entstehenden Handlungen Konflikte positiv oder negativ beeinflussen können, ebenso wie der Stil einer Interaktion. Wer seine Konflikte möglichst produktiv auflösen möchte, sollte also sein eigenes Handeln in diesen Phasen unter die Lupe nehmen – denn das der anderen Konfliktpartei lässt sich nicht steuern.

Zwar ist es schwieriger, sein eigenes Verhalten zu prüfen und zu hinterfragen, aber auch gewinnbringender als nach den „10 besten Tipps zur Konfliktlösung“ zu googeln. Konfliktverhalten lässt sich zwischen den Polen „konfrontativ“ und „konstruktiv“ einordnen. Strategien, die auf Vermeidung, Durchsetzung oder Anpassung beruhen, tendieren zur Konfrontation, während eine konstruktive Lösung auf Delegation, Kompromiss oder Konsens beruht. Die perfekte Lösung eines Konfliktes wäre die Zusammenarbeit, der Konsens, weil das bedeutet, dass beide Seiten ihre Position einbringen und eine für alle Parteien gleichermaßen tragbare gemeinsame Lösung erarbeitet wird. Nach einer solchen Lösung kann ein Team besser und schlagkräftiger positioniert sein als vor einem Konflikt. In der Konfliktforschung wird das auch als Win-Win bezeichnet, alle gewinnen. Andere, schlechtere Möglichkeiten sind:

- Zwang: Einer haut auf den Tisch und bestimmt die Lösung kraft Durchsetzungsfähigkeit oder seiner institutionalisierten Rolle (der/die Vorgesetzte). Führt dazu, dass eine Seite gewinnt und alle anderen verlieren. Die Verliererseite wird auf Rache sinnen, schmollen, oder dauerhaft unzufrieden sein – keine guten Voraussetzungen, um im Team etwas zu erreichen.

- Vermeiden: Der Konflikt wird unter den Teppich gekehrt. Von dort kommt er früher oder später, im schlimmsten Fall über lange Zeit immer wieder, hervor und nervt, blockiert, behindert, bindet Ressourcen. Alle verlieren.

- Nachgeben: Eine Seite gibt nach und löst so den Konflikt. Der ist damit weg, aber bei der nachgebenden Seite werden, ähnlich wie beim Zwang, schlechte Gefühle zurückbleiben. Eine Konfliktpartei verliert, die andere(n) gewinnt(en).

Besser als nach schnellen Tipps zu suchen ist es, wenn alle Menschen im Betrieb, jedes Team, das gesamte Führungspersonal beim Auftauchen von Konfliktanzeichen – idealerweise präventiv und anlassunabhängig im Vorfeld – die fünf Säulen zur Konfliktlösung einüben:

Säule 1: Die Situation bewusst, mit allen Sinnen, auf allen Ebenen wahrnehmen. Trennen zwischen eindeutigen Realitäten und subjektiver Interpretation.

Säule 2: Im Konflikt zu einer umfassenden eigenen stabilen Position kommen. Aus einer Position der Sicherheit lässt sich am besten konstruktiv in einen Konflikt eingreifen.

Säule 3: Kontakt zu und Kommunikation mit den anderen Konfliktparteien aufnehmen mit dem Ziel, deren Position zu erkennen und begreifen und die eigene darzustellen.

Säule 4: Wenn alle Seiten die Situation erkannt und verstanden haben, können sie viel besser einschätzen, in welche Richtung sie die Situation verändern wollen – und auch können! So wird es möglich, eigene Ziele zu priorisieren und sich möglicherweise auch von nicht erreichbaren zu trennen.

Säule 5: Auf der Basis einer klaren Erkenntnis über die Situation und die eigenen Ziele lassen sich viel leichter Mittel und Wege finden, wie die verschiedenen konkurrierenden Ziele miteinander und mit der Situation in bestmögliche Übereinstimmung gebracht werden können.