Amore am Arbeitsplatz

Viele Menschen lernen ihre Liebespartner bei der Arbeit kennen. Das ist kein Wunder, denn wir verbringen dort in der Regel den Großteil unserer Zeit. Was ist zu beachten, wenn die Liebe am Arbeitsplatz erblüht, was geht und was geht überhaupt nicht?
Veröffentlicht am 20.09.2022
Amore am Arbeitsplatz

Zwischen 35 und 40 Stunden verbringen Vollzeit-Angestellte jede Woche am Arbeitsplatz. Das ist sehr viel mehr Zeit als im Freundeskreis, beim Sport oder bei anderen Hobbys. Und so ist es kein Wunder, dass nicht nur berufliche, auch emotionale Beziehungen bis hin zur großen Liebe dort stattfinden. Laut der „Hochzeitsstudie 2022“ im Auftrag des Unternehmens Kartenmacherei, für die seit 2017 jährlich 1095 Paare befragt werden, haben sich immerhin elf Prozent am Arbeitsplatz kennengelernt. Das ist Platz vier, nur knapp hinter dem Klassiker „Party / Disko / Bar“ und noch vor „Verein / Hobby“. In einer Studie des Datingportals ElitePartner hat fast ein Drittel der Befragten angegeben, bereits einmal in einen Kollegen oder eine Kollegin verliebt gewesen zu sein und sogar 24 Prozent sagten, sie hätten schon Partner oder Partnerin am Arbeitsplatz kennengelernt.

So schön die Liebe ist, am Arbeitsplatz kann sie auch Probleme machen. Insbesondere US-amerikanische Unternehmen versuchen deshalb, Liebesbeziehungen zu untersagen. Der Handelsriese Wal-Mart ist damit in Deutschland aber vor Gericht gescheitert. In den USA sind Compliance-Regeln, die Liebesbeziehungen in der Belegschaft regeln oder untersagen, durchaus üblich, dort sind beispielsweise Vorstandsvorsitzende von Intel oder McDonalds über Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz gestolpert. In Deutschland hat der Axel-Springer-Verlag nach dem Skandal um Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in seinen Verhaltenskodex für Führungskräfte in Sachen persönlicher Beziehungen festgelegt, dass diese transparent gemacht werden müssen. Das ist ein starker Eingriff in die Privatsphäre, die auch am Arbeitsplatz gilt. Auch die MeToo-Debatte hat ein grelles Schlaglicht darauf geworfen, dass großes Konfliktpotenzial besteht.

Die rechtliche Sicht ist eindeutig: Das Privatleben ihrer Beschäftigten geht Unternehmen nichts an. Liebesbeziehungen, Partnerschaften, Flirts, oder One-night-stands gehören eindeutig ins Privatleben. Versuche, solche Beziehungen zu untersagen, sind rechtlich nicht haltbar. Ebenso klar ist aber auch, dass Unternehmen darauf hinwirken dürfen, dass der Arbeitsfrieden nicht gestört ist und die Arbeitsleistungen erbracht werden. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Liebesbeziehungen sich negativ auf das Arbeitsergebnis auswirken können.

Unternehmen haben auch eine Fürsorgepflicht für Beschäftigte. Diese kommt möglicherweise dann zum Tragen, wenn eine Beziehung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen zustande kommt. Auch die ist natürlich legitim und passiert sicher oft ohne negative Aspekte. Aber sie birgt immer die Gefahr einer Ausnutzung der Machtstellung oder einer Bevorzugung des/der Partner:in. Dennoch: Ob Regelungen wie die bei Axel Springer vor einem Arbeitsgericht Bestand haben, muss sich im Einzelfall herausstellen. Eine generelle Meldepflicht von Beziehungen hätte dies sicher nicht, ob eine Meldepflicht für Beziehungen zwischen Beschäftigten unterschiedlichen Rangs zulässig ist oder nicht wird an ihrer konkreten Ausgestaltung hängen. Die Absicht, untergebene Beschäftigte vor möglichem Machtmissbrauch von Führungskräften zu schützen würde von Gerichten abgewogen gegen das Recht auf Privatsphäre.

Liebespaare mit gleichem Arbeitgeber sind durchaus gut beraten, sich Gedanken über die Auswirkungen ihrer Beziehung zu machen. Beispielsweise kann durch ständiges Turteln oder anderweitig zu offensiv ausgelebte Liebe am Arbeitsplatz der Arbeitsfrieden durchaus gestört werden. Kommt es zu Ärger im Team, entsteht Regelungsbedarf für Unternehmen. Eine gut begründete Versetzung in eine andere Abteilung oder, bei grobem Fehlverhalten, auch ein Verweis oder eine Abmahnung können Folge sein. Auch aus Sicht des Paares kann zu große Nähe am Arbeitsplatz problematisch werden – mangelnde Distanz, Neid über tatsächliche oder vermeintliche Bevorzugung eines Teil des Paares oder zu starke Vermischung von Arbeits- und Privatleben können Stressfaktoren werden. Auch die Urlaubsplanung kann sich verkomplizieren, wenn beide im gleichen Team sind und das Unternehmen aus betrieblichen Gründen nachvollziehbar argumentiert, dass gleichzeitige Abwesenheit die Geschäfte schädigen würde. Und nicht zuletzt sollten verliebte Paare sich auch mit der Frage beschäftigen, was im Falle einer Trennung passiert.

Eine vernünftige Distanz zu wahren ist ein Rat, der vielen möglichen Komplikationen vorbeugt. Das kann auch dann gelingen, wenn Paare eng zusammen arbeiten – sie sollten beispielsweise darauf achten, während der Arbeitszeit professionell miteinander umzugehen und bestehende Gewohnheiten im Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen beizubehalten. Also beispielsweise den gemeinsamen Kantinenbesuch nicht von heute auf morgen komplett einzustellen oder nur noch im Doppelpack zu absolvieren. Es kann durchaus im eigenen Interesse liegen, wenn Paare eine größere berufliche Trennung organisieren. Die Beziehung geheim halten zu wollen ist hingegen keine sonderlich gute Idee, denn in der Regel ist das zum Scheitern verurteilt. Selbst wenn Sie auf Händchenhalten oder Küsse während der Arbeitszeit verzichten, werden die Kollegen und Kolleginnen rasch bemerken, dass sich da zwei ganz anders benehmen, ansehen, miteinander sprechen als früher. Wer hingegen, bei aller gebotenen Zurückhaltung, offen mit seiner Beziehung umgeht verhindert auch schon im Ansatz Klatsch und Tratsch hinter seinem Rücken.