Fehler? Ich doch nicht!

Warum das Scheitern in Firmen offen angesprochen werden sollte und wie es die Unternehmen voranbringt.
Veröffentlicht am 24.03.2021
Fehler? Ich doch nicht!

Tatsächlich muss ein Fehler nicht das Ende sein, selbst ein großer nicht. Lydia Krüger etwa verriet als Pressesprecherin einer Krankenkasse, trotz jahrelanger Berufserfahrung, eine geheime Nachricht einem Journalisten. Am nächsten Tag stand die Information in rund 400 Zeitungen. Schlimmer kann man als Pressesprecherin kaum scheitern – aber alle Kollegen waren fair zu ihr und sie behielt ihren Job, sagt Krüger, obwohl sie sich selbst wohl entlassen hätte.

Auch Christopher Siebenhüner hat mit dem Unternehmen „Nordthüringen Fernsehen“ einen tiefen Griff ins Klo getan. Binnen zweier Jahre brachte es der Sender auf 90 Minuten Sendezeit, die nach Siebenhüners eigener Einschätzung „Schrott“ war. Er zog den Stecker, ist aber noch Jahre später mit der endgültigen Liquidierung beschäftigt.

Siebenhüner und Krüger erzählten die Geschichte ihres Scheiterns in einer großen deutschen Wochenzeitung und auf Fuck-up-Nights, einem Veranstaltungsformat, das in den vergangenen Jahren enormen Zulauf erlebt. Hier berichten Gründer, Manager und normale Angestellte von ihrem Scheitern. Und verarbeiten dieses damit zugleich deutlich besser als andere berühmte Manager wie etwa Dennis Kozlowski. Der frühere Chef des US-Konzerns Tyco hatte dessen Wert in der Spitze auf 115 Mrd. US-$ getrieben und den Umsatz angeblich von drei auf 30 Mrd. – wie sich später herausstellte, wohl in erheblichem Umfang mittels Luftbuchungen. Er wurde 2005 wegen Betrug und Bilanzmanipulation zu 25 Jahren Haft verurteilt, von denen er mehr als acht Jahre absaß. Als er sich noch fröhlich aus der Firmenkasse bediente, gab er einmal 6000 € für einen goldenen Duschvorhang aus. Solch einen Mann läutert auch das Gefängnis nicht, nach Medienberichten ist er auch nach seiner Haftstrafe noch der Ansicht gewesen, er hätte jeden Cent verdient gehabt.

Ja, irgendwann sind die Nullen nicht mehr so wichtig, mag sich ein Manager vom Typ Kozlowski vielleicht denken, Hauptsache, es werden mehr. Aber natürlich sind Nullen das Wichtigste, wie erst im Februar 2020 ein anonymer Mitarbeiter der Arbeitsagentur Frechen erfahren musste. Die wollte einer Schule 100 € überweisen, statt- dessen wurde aber die Summe von 10 Billionen € eingetippt – oder vielleicht klemmte auch nur die Tastatur. Der Fehler wurde rechtzeitig bemerkt, die Überweisung nicht ausgeführt.

Fuck-up-Nights oder ähnliche Veranstaltungen gibt es immer öfter, auch firmenintern. Das ist ein richtiger Ansatz, um eine gute Fehlerkultur zu etablieren – denn nur zu behaupten, man habe sie, reicht nicht. Laut einer Studie der Unternehmensberatung E&Y sagen zwei Drittel der Manager, man habe eine offene Diskussionskultur. Von ihren Mitarbeitern sagen das aber nur 42 Prozent. Dabei wissen Manager, dass sie Mist bauen, und zumindest in anonymen Befragungen können sie es auch zugeben. In der E&Y-Studie gestanden knapp 80 Prozent der Führungskräfte, bereits Fehler gemacht zu haben, die ihrem Unternehmen Schaden zugefügt haben. Aber lediglich 45 Prozent der Angestellten sagen, dass ihre Führungskraft Fehler auch zugibt. Welche Konsequenzen ziehen wohl die Beschäftigten, die tagtäglich solches Verhalten vorgelebt bekommen, wenn sie selbst mal einen Fehler machen?

Fehlerkultur bedeutet, offen mit Fehlern umzugehen. Das ermöglicht deren frühzeitiges Eingestehen und eröffnet die Chance auf rechtzeitige Behebung. Angst vor Strafe hingegen führt eher zur Vertuschung.

Eigene Schwäche zulassen ist schwierig in einem System, das Perfektion als Richtschnur hat. Voraussetzung für Karriere ist starkes Selbstbewusstsein. Wir müssen ständig zeigen, dass wir Top-Performer sind. Mit diesem Selbstbild treiben wir uns innerlich an und demonstrieren unseren Führungsanspruch. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, uns regelmäßig selbstkritisch zu reflektieren.

Scham ist oft die erste Reaktion auf einen Fehler. Unsere Psyche löst die als unangenehm empfundene Scham auf zwei Wegen auf: Entweder ich korrigiere und relativiere mein Selbstbild, setze mich mit dem Fehler auseinander, verzeihe mir und kann so daraus lernen. Oder ich suche einen externen Schuldigen, sei es ein Partner, ein Untergebener, ein anderes Team oder ein Lieferant. Das verhindert die Aufarbeitung.

Fehler finden und daraus lernen hilft dabei, besser zu werden. Denn Menschen lernen zu einem erheblichen Anteil aus gemachten Erfahrungen, gerade auch aus Fehlern. Deshalb ist eine offene Fehlerkultur dem Unternehmenserfolg dienlich.