Auf kritische Fragen souverän reagieren

Immer wieder kommen wir in die unangenehme Situation, nicht nur sachliche, sondern harte kritische Fragen beantworten zu müssen.
Veröffentlicht am 28.03.2024
Auf kritische Fragen souverän reagieren

Ob im Vorstellungsgespräch, beim Gruppenmeeting oder im Gespräch mit Chef oder Chefin: Immer wieder kommen wir in die unangenehme Situation, nicht nur sachliche, sondern harte kritische Fragen beantworten zu müssen. Mit etwas rhetorischem Geschick kann dies gelingen.

„Wie kann das denn sein, dass Kunde XY zur Konkurrenz gewechselt ist?“ Wenn Sie diese Frage vom Vorgesetzten hören, brennt die Hütte. Denn die Frage bedeutet nicht, dass die Führungskraft keine Ahnung hat, warum der Kunde weg ist, sondern ist eine Anklage an Sie und Aufforderung zur Rechtfertigung. Wenn im Abteilungsmeeting von der Führungsebene die Frage kommt, warum Projekt Z noch nicht abgeschlossen ist, so ist das natürlich auch kein Eingeständnis, seinen eigenen Führungs- und Kontrollaufgaben nicht nachgekommen zu sein, sondern Beginn der Suche nach Schuldigen. Und wenn beim Vorstellungsgespräch aus dem Lebenslauf zielsicher die drei Positionen herausgepickt werden, auf denen man nur ein paar Monate war, gefolgt von einer provokativen Frage wie etwa: „Betreiben Sie eigentlich gerne Job-Hopping?“, dann müssen Bewerberinnen und Bewerber schon ziemlich viel Coolness mitbringen, um nicht ins Schwitzen zu geraten. Wer fragt, der führt, heißt es nicht umsonst, denn Fragen bringen ihre Adressaten in Zugzwang. Wir fühlen uns aufgefordert, zu reagieren, und wählen häufig erklärende oder gar rechtfertigende Muster oder gleich den Versuch, gefallen zu wollen. Wie früher in der Schule. Das alles sind keine sinnvollen Strategien. Aber es gibt rhetorische Kniffe, mit deren Hilfe Sie auch solche Situationen überstehen.

Gleichgewicht herstellen

Mit dem Fragesteller auf Augenhöhe kommen ist eine wichtige Voraussetzung, um kritische Fragen souverän zu beantworten. In Talkshows lässt sich oft beobachten, dass kritische Fragen einfach nicht beantwortet werden und stattdessen über etwas anders gesprochen wird, dass dem oder der Antwortenden wichtig, sie in gutem Licht dastehen lässt und zumindest entfernt zur Frage passt. Gelegentlich parieren die fragenden Journalisten dann damit, dass das aber gar nicht die Frage gewesen sei. Von Markus Söder (CSU) ebenso wie aus der anderen politischen Ecke, von Annalena Baerbock (Grüne), ist aus solchen Situationen die gleiche Reaktion dokumentiert: „Aber das war meine Antwort!“ Ein hervorragendes Beispiel, wie man Augenhöhe und Souveränität demonstriert. Denn so signalisieren beide Spitzenpolitiker zweierlei: Ich lasse mich nicht unter Druck setzen und bestimme selbst, was ich für wichtig halte. Gleichzeitig wird deutlich, dass weiteres Nachbohren nichts bringen wird. Sicher ist diese innere Haltung gegenüber Führungskräften, die in der Hierarchie höher stehen und Weisungsbefugnis haben, schwieriger herzustellen als im Verhältnis zwischen Politikern und Journalistinnen, aber trotzdem lohnt es, das zu trainieren.

Perspektive wechseln

Einfach das antworten, was man selbst sagen will, ist auch eine Möglichkeit des Perspektivwechsels. Im Unternehmen birgt sie aber eher als in Talkshows die Gefahr, trotzdem mit Nachfragen konfrontiert zu sein. Deshalb ist der elegante Perspektivwechsel hier mit einem Zeitwechsel verknüpft: Sprechen Sie nicht über das, was war, sondern über das, was Sie vorhaben. Wenn also die Frage nach dem versemmelten Projekt oder der abgesprungenen Kundin kommt, gehen Sie darauf nur kurz und oberflächlich ein und wechseln Sie schnell die Perspektive auf die Zukunft. Keine Fehlersuche und -analyse, die würde im Verlauf des Gesprächs nur immer detaillierter und länger. Besser: Mit einem Satz den Fehler eingestehen und Bedauern ausdrücken, dann auf Konsequenzen für die Zukunft kommen. Was Sie daraus lernen wollen, was Sie gerne ändern würden, um solche Fehler künftig auszuschließen, wie die Firma davon profitieren kann. Danach fällt es schwer, auf die Kritik zurückzukommen, weil das dann kleinlich wirken kann. Sie zeigen Initiative und bestimmen den Gesprächsverlauf, indem Sie ein Thema setzen.

Frage zurückweisen

Sie kommen mit Fragestellern auch auf Augenhöhe, wenn Sie Fragen als unberechtigt und falsch zurückweisen – aber bitte elegant. „Betreiben Sie eigentlich gerne Job-Hopping“ ist eine gute Gelegenheit für diese Strategie, denn die Frage ist ja keine sachliche, von Interesse geleitete. Dann würde sie lauten: „Sie habe da drei Stationen im Lebenslauf mit nur einigen Monaten Dauer. Wie ist es dazu gekommen?“ Auf so eine Frage können Sie mit vernünftigen und einleuchtenden Antworten reagieren. Aber die Job-Hopping-Formulierung ist im besten Fall eine Fangfrage oder schlicht eine äußerst provokative Unterstellung. Sie dürfen deshalb gerne deutlich feststellen: „Ich habe noch nie Job-Hopping betrieben, sondern….“. Natürlich können Sie aber auch ganz schlicht zurückfragen: „Was meinen Sie mit Job-Hopping?“ oder „Wo sehen Sie bei mir Job-Hopping?“ Das führt dazu, dass die Frage erläutert und begründet werden muss und damit kommen Sie meistens auf eine leichter zu händelnde Sachebene.

Antwort verweigern

Wenn Fragen mehr als nur provokativ sind, sondern juristische oder auch moralische Grenzen überschreiten, dürfen und sollten Sie auch im Vorstellungsgespräch oder gegenüber Führungskräften diese klar und deutlich als unzulässig verweigern. Scheuen Sie nicht mögliche Konsequenzen, denn so hinterlassen Sie ja auch den Eindruck eines souveränen Bewerbers, der auch in kommenden schwierigen geschäftlichen Situationen mit Rückgrat und Mut agiert. Vielleicht wurde die Provokation nur zu dem Zweck ausgesprochen, Ihre Reaktion zu sehen. Und wenn die Frage ernsthaft gestellt wurde, müssen Sie sich sowieso fragen, ob das die Arbeitsumgebung ist, die Sie sich wünschen.

Fragestellung korrigieren

Eine gute Möglichkeit auf Fragen wie die nach dem abgesprungenen Kunden zu antworten. Denn diese Frage dient ja nicht der sinnvollen Fehlersuche – und das können Sie sich zu Nutze machen, indem Sie antworten: „Die eigentliche Frage muss doch lauten: Warum ist Kunde XY jetzt bei der Konkurrenz?“ Danach führen Sie verschiedene mögliche Gründe auf (Kontakt und Kommunikation, Preis, Produktqualität, Liefertermine, Warenverfügbarkeit usw.), von denen die meisten oder alle außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs liegen sollten. Ganz wichtig: Hier wie auch bei allen anderen rhetorischen Abwehrstrategien sollten Sie es unbedingt vermeiden, andere Schuldige zu suchen. Gründe für Fehler ja, Verantwortliche dafür nein, denn sonst entsteht viel zu schnell der Eindruck, dass Sie von eigenem Fehlverhalten ablenken wollen durch die Denunziation anderer.

Ausweichend antworten

Manchmal kann es auch eine gute Strategie sein, inhaltsleer zu antworten. So sind Fragen nach einer Krankschreibung oft nur ein plumper Versuch. Führungskräfte wissen, dass sie die Gründe nicht erfragen dürfen. Also antworten Sie einfach mit „Ich war krank“ oder „Mir ging es nicht gut.“ Die Frage wurde ohne Informationsgehalt beantwortet, wer nochmals nachhakt, muss dann schon konkreter nach Details oder gar Diagnosen fragen, wirkt dann aber nicht mehr nur „interessiert“, sondern eher detektivisch-unangenehm.