Studieren geht über Probieren

In Deutschland gibt es gerade einmal 18 Professuren für Pflanzenschutz – Tendenz fallend. Während immer mehr Hochschullehrer in Pension gehen, mangelt es gleichzeitig an akademischem Nachwuchs.
Veröffentlicht am 05.10.2021
Studieren geht über Probieren

Auf diese Umstände machte Prof. Andreas von Tiedemann von der Universität Göttingen im Rahmen der 62. Deutschen Pflanzenschutztagung aufmerksam. „Entlang der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette werden viele unterschiedliche Experten benötigt“, betonte Tiedemann. Allerdings wären die Berufsfelder so separiert, dass Erkenntnisse aus der universitären Grundlagenforschung nur selten ihren Weg in Agrarindustrie und Anwendungspraxis fänden.

Dazu käme, dass wichtige Aspekte des Pflanzenschutzes wie Entomologie oder Herbologie an deutschen Hochschulen unterrepräsentiert seien. „Wir sehen eine inhaltliche Verschiebung zu den Mutterwissenschaften wie Biologie und Biochemie, die allerdings die system- und prozessorientierten Agrarwissenschaften nicht adäquat ersetzen können.“ Es sei daher zu befürchten, dass in naher Zukunft eine agrarbezogene Lehre und Forschung zu Pflanzenschutz und Pflanzengesundheit an deutschen Universitäten nicht mehr existieren könnte.

Eine solche Entwicklung wäre durchaus nicht einmalig. „In den USA nimmt die Anzahl der anwendungsbezogenen Positionen in der universitären Forschung seit Jahren stetig ab“, erklärte Tiedemann. „In Großbritannien und Frankreich ist der universitäre Pflanzenschutz weitgehend erodiert und wurde von Institutionen der staatlichen Beratung übernommen.“ Diese Institutionen würden zwar anwendungsbezogene Forschung betreiben – die Ausbildung von akademischem Nachwuchs im Pflanzenschutz gehöre jedoch nicht zu ihren Aufgaben.

Praxisorientiertes Studium

Um hierbei Abhilfe zu schaffen rief die Universität Göttingen im Jahr 2010 den internationalen Master-Studiengang „Crop Protection“ ins Leben. Dafür bekommen die Göttinger Fördermittel aus der EU und kooperieren mit anderen Hochschulen in Spanien, Italien und Frankreich. Die Zahl der Studienbewerber hat sich seit 2013 fast verdreifacht. Die Studierenden kommen aus über 40 verschiedenen Staaten – auch aus vielen Entwicklungs- und Schwellenländer.

Ein Grund für die hohe Nachfrage ist laut Studienkoordinatorin Dr. Susanne Weigand die starke Praxisorientierung. „Neben Vorlesungen, Seminaren und Übungen gehören auch Feldbegehungen, Exkursionen und Praktika zu den festen Bestandteilen“, so Weigand. „Der Studiengang ,Crop Protection‘ bietet eine Spezialisierungsmöglichkeit im Pflanzenschutz im Kontext des gesamten Anbauverfahrens.“

Etwa zwei Drittel der Göttinger Studierenden schließen ihr Studium mit einer Promotion ab. Aber auch die Master-Absolventen sind allerorts gefragt, insbesondere in Wirtschaftsunternehmen, Behörden sowie Forschungs- und Beratungseinrichtungen. „Nach Akademikern mit fachlicher Breite wird händeringend gesucht“, fasste Prof. Tiedemann zusammen. „Trotz des attraktiven Arbeitsmarkts fehlt es aber an Nachwuchs.“

Quelle: agrarzeitung