Landwirte sind online-affin

Wie können sich landwirtschaftliche Betriebe neues Wissen aneignen? Dieser Fragestellung hat sich eine Studie der IfLS Beratung und Projekte GmbH gewidmet.
Veröffentlicht am 28.08.2023
Landwirte sind online-affin

Für die Studie wurden fast 400 landwirtschaftliche Betriebe in Rheinland-Pfalz befragt. Digitale Wege der Weiterbildung liegen vor den klassischen gedruckten Quellen. Dennoch gibt es Nachfrage nach Ausweitung der digitalen Angebote. Auch die Themenangebote decken sich nicht mit dem Bedarf der Betriebe. Das zeigt ein aktueller Beitrag von Oliver Müller in der Zeitschrift B&B Agrar. Er arbeitet im Bereich Regionalentwicklung, Innovationsberatung und Großschutzgebiete der IfLS GmbH. Die Befragung baut auf das Agricultural Knowledge and Innovation System (AKIS) auf, das Teil der europäischen Agrarpolitik ist.

Eingangs stellt Müller fest, dass die landwirtschaftlichen Betriebsleitungen in einem Umfeld von Unsicherheit und Komplexität agieren. Und zwar bezogen auf die zunehmende Vielfältigkeit der Wissensquellen selbst ebenso wie auf die Bedingungen, innerhalb derer die Betriebe wirtschaften müssen. So ist es wenig erstaunlich, dass 40 Prozent der Befragten keine Einschätzung zur Aktualität ihres persönlichen Fachwissens abzugeben vermochten. Das sind fast ebenso viele wie jene, die ihr Fachwissen als „gut“ einschätzen (45 Prozent). Müller weist darauf hin, dass sich das verfügbare Wissen im landwirtschaftlichen Sektor vervielfältigt hat und zugleich rasche Veränderungen den Sektor kennzeichnen. Zudem habe die Agrarstrukturreform aus dem Jahre 2003 in RLP dazu geführt, dass die Distanz zwischen Betrieben und der landwirtschaftlichen Beratung größer wurde. Dennoch nutzen fast zwei Drittel (62 Prozent) die Offizialberatung der Dienstleistungszentren Ländlicher Raum (DLR) als erste Quelle für Fachinformationen.

32 Prozent der Betriebsleitungen geben digitale Formate als wichtigste Wissensquelle an, nur 26 Prozent nennen Bauernzeitungen, Fachzeitschriften oder andere gedruckte Kanäle. Bei den digitalen Formaten liegen mit 33 Prozent Online-Schulungen klar vorne. Es folgen Webseiten (20 Prozent) und der Geobox-Viewer (17 Prozent). Andere digitale Quellen wie etwa Datenbanken, Apps von Privatanbietern, Messenger oder soziale Medien wurden nur im einstelligen Prozentbereich genannt. Bei der Nützlichkeit der Wissensquellen hat das IfLS erstaunliche Diskrepanzen gefunden. Die zweithäufigste Quelle, Webseiten, wurde im Durchschnitt lediglich als befriedigend angesehen, während die durchschnittlich als sehr nützlich eingestuften digitalen Merkblätter nur von fünf Prozent der Befragten genutzt wurden. Offensichtlich sollten Anbieter von Fachinformationen an der Nutzbarkeit ihrer Produkte ebenso arbeiten wie die Nutzer und Nutzerinnen an ihrem Nachfrageverhalten.

Trotzdem digitale Angebote bereits klar führend sind sprachen sich 79 Prozent der Befragten für deren Ausweitung aus. Besonders interessiert sind sie an einer digitalen Beratungsplattform, die Angebote bündelt und vorselektiert. Solch ein Angebot durch die Offizialberatung würde die Auswahl und Bewertung der vielfältigen Angebote erleichtern und könnte auch die mangelnde Übereinstimmung zwischen Nützlichkeit und Häufigkeit der Nutzung vorhandener Informationsquellen verbessern. Immerhin werden zusammen 86 Prozent der in Anspruch genommenen Weiterbildungen bereits von den DLR, den Landwirtschaftskammern und Beratungsringen sowie von Verbänden und Erzeugerorganisationen organisiert.

Thematisch differenzieren Angebot und Nachfrage deutlich: Fast 20 Prozent der Befragten wünschen sich fachliche Qualifizierungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und alternativer Einkommensquellen, knapp gefolgt von Umwelt- und Ressourcenschutz. Auf Platz drei folgt der Einsatz neuer Technologien und Maschinen und kurz darnach die Themen Klimaanpassung und -schutz sowie Biodiversität. Bei fachübergreifenden Qualifizierungen liegen betriebswirtschaftliche, Führungs- und Managementkompetenzen, Technologie- und Digitalisierung sowie Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Gesprächsführung vorne. Auf der Angebotsseite dominieren aber Weiterbildungen und Qualifizierungen zu betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen (etwa: Hofnachfolge) Fragestellungen und zur Produktionstechnik (Ackerfrüchte, Wein, Obst, Pflanzenschutz- und Düngemittel). Qualifizierungen mit Schwerpunkt im Naturschutz kommen, obwohl stark gewünscht, kaum vor.

Müller schlägt vor, dass sich die Anbieter von Beratung, Weiterbildung und Qualifizierung besser abstimmen, um passendere Angebote machen zu können. Das bestehende System sei von Redundanz und Konkurrenz geprägt. „Die Offizialberatung hat aufgrund ihrer Legitimität eine gute Ausgangsposition, um als zentrale Drehscheibe zwischen Forschung, Beratung und Praxis die Koordinierung der Wissensbedarfe und Angebote vorzunehmen“, schreibt Müller in seinem Beitrag. Die DLR könnten zu Wissens- und Innovationshubs werden, Forschungsergebnisse und Innovationen praxisnah validieren, aufbereiten und zur Verfügung stellen.

 

Quelle: Der vollständige Beitrag in B&B Agrar https://www.bildungsserveragrar.de/fachzeitschrift/wie-kommt-wissen-zu-den-betrieben/