Grundlagenwissen trifft Drohnen und Feldroboter

An den Agrarfakultäten sollen Lehrinhalte wie regenerative Landwirtschaft, Tierwohl und autonome Feldmaschinen Studierende fit für die Zukunft machen.
Veröffentlicht am 17.08.2021
Grundlagenwissen trifft Drohnen und Feldroboter

Wer demnächst ein agrarwissenschaftliches Studium beginnt, schon mitten darin ist oder bereits im Abschluss steckt, wird in 25 Jahren immer noch mitten im Berufsleben sein. Was von dem Wissen, das derzeit gelehrt wird, hat dann noch Gültigkeit? Wie können Universitäten heute schon ihre Studieninhalte auf die Zukunft ausrichten? Eine Umfrage an den Agrarfakultäten. Drohnen, Apps, Precision, Smart oder Vertical Farming, Feldroboter? Ja, auch davon berichten Professoren und Professorinnen der Hochschulen Göttingen, Kassel, Weihenstephan, Kiel und Hohenheim. Aber selten an vorderster Stelle. Dort stehen häufig grundlegendere Themen als einzelne Technologien. So etwa bei Professor Andreas von Tiedemann, Studiendekan an der Fakultät für Agrarwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen: „In den letzten zehn Jahren hat sich gezeigt, dass in den Agrarwissenschaften eine immer stärkere Spezialisierung bei der Besetzung der Professuren zu einer Abkehr von der Praxis in der Pflanzen- und Tierproduktion führt. Es wird immer öfter nur noch mit hochspezialisierten Modellsystemen gearbeitet, aber das agrarwissenschaftliche Gesamtsystem kommt zu kurz.“ Diesen Trend umzukehren oder zu bremsen, hält Tiedemann in den kommenden Jahrzehnten für sehr wichtig. Deshalb müsse man die Relevanz der Publikationen für die agrarwissenschaftliche Praxis wieder stärker bei Berufungen berücksichtigen. Zweitens solle der wissenschaftliche Nachwuchs besser gefördert werden, so von Tiedemann, derzeit würden zu viele die Sicherheit einer Stelle in der Wirtschaft den stets befristeten Verträgen im wissenschaftlichen Mittelbau vorziehen.

Flexible Lehrformen

Praxisnähe ist für viele Gesprächspartner ein Thema, so auch für Studiendekan Professor Peter Breunig von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Er glaubt, dass sich die anwendungsbezogene Forschung an den Fachhochschulen in den kommenden 25 Jahren weiter verstärken wird, wie sich das an der HSWT bereits abspielt. Das helfe auch bei der Internationalisierung, die sich ebenfalls fortsetzen und verstärken werde. Ab dem Wintersemester kommt an der HSWT ein weiterer internationaler Master-Abschluss hinzu. Die weitere Öffnung für internationale Studierende wird eine engere Kooperation mit Institutionen in deren Heimatländern mit sich bringen und eventuell mehr Online-Formate, die durch Corona nun auch gut erprobt sind. „Viele Studierende wünschen sich hybride Modelle aus On- und Offline und hohe Flexibilität“, so Breunig. „Wir haben auch bereits erlebt, dass sich Studierende vom Schlepper aus eingeloggt haben. Wir wollen das Studium nebenbei nicht fördern, aber es gibt auf den Höfen einfach Tage, an denen alle ranmüssen und für die Hochschule nicht ganz so viel Zeit bleibt. In 25 Jahren werden wir voraussichtlich sehr viel mehr verschiedene Lehrformen mit unterschiedlichen Mitteln haben als heute.“ Breunig weist, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen, auf einen wichtigen Punkt hin: „Die grundlegenden Zusammenhänge der Landwirtschaft, Böden, Pflanzen, Tiere werden auch in 25 Jahren nicht wesentlich anders sein als heute und daher auch die Lehrinhalte nicht.“ Digitale Hilfsmittel in der Tierhaltung zur Kontrolle von Gesundheitsstatus oder Fütterung oder die Erfassung, Überwachung und Kontrolle von Düngergaben im Pflanzenbau und andere Digitalisierungsthemen werden aktuell als neue Werkzeuge in das bestehende Studium integriert, so wie dies auch in der Vergangenheit immer wieder passiert ist. Natürlich kommen auch neue Themen hinzu: Insbesondere die Bereiche Klimaschutz und Biodiversität, „alternative Proteine“, also der Anbau von Erbsen, Lupinen oder Soja zur Herstellung von Fleischersatz, sowie Agri-Fotovoltaik und Agroforst-Systeme würden eine stärkere Bedeutung bekommen. Auch das Vertical- und Indoor-Farming wird an der HSWT in einer eigenen Professur erforscht, sei aber eher ein Gartenbau- als ein Landwirtschaftsthema. Schließlich weist Breunig auf einen weiteren Zukunftstrend hin: „Die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft werden sich im Studium annähern. Derzeit müssen sich Studierende noch nach dem zweiten Semester für eine der beiden Richtungen entscheiden und sich spezialisieren, aber wir bemerken ein zunehmendes wechselseitiges Interesse an der jeweils anderen Fachrichtung. Vielleicht wird es hier in Zukunft hybride Modelle geben oder mehr Austausch zwischen den beiden Ansätzen und die Freiheit, zu wählen.“

Fokus auf Bodengesundheit

 

 

 

 

Magister Holger Mittelstraß ist Studienkoordinator am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel. An deren Standort Witzenhausen wird schon seit mehr als 40 Jahren ökologischer Landbau gelehrt. Mittelstraß glaubt, dass dieser sich kräftig verändern müsse, um das im Klimaschutzpakt angestrebte Ziel einer Verdoppelung des Betriebsanteils bis 2030 zu erreichen. „Agroforstsysteme und die regenerative Landwirtschaft könnten stärker in den Fokus geraten. Bodengesundheit, Humusbildung und Minimalboden­bearbeitung sind auch in der biologischen Landwirtschaft noch ausbaufähig“, so Mittelstraß. Weiteres Verbesserungspotenzial, das sich künftig auch in den Studieninhalten niederschlagen müsse, sieht er beim Tierwohl, der Verbesserung der Wertschöpfungsketten vom Acker auf den Teller sowie verstärkter Regionalisierung und wasserschonenden Anbaumethoden. Am Agrartechnik-Lehrstuhl in Witzenhausen werde zudem intensiv an elektrischen, autonomen Feldmaschinen geforscht, die auf kleineren Flächen Arbeiten mit weniger Leistungsbedarf, etwa Hacken, Mähen oder Striegeln, hoch produktiv ausführen können. So wie Mittelstraß von Wertschöpfungsketten spricht, einem gesellschaftlich-ökonomischen und nicht im engeren Sinne agrarischen Thema, so spricht auch Professor Georg Thaller, Prodekan der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel, davon, dass eine künftig „engere Zusammenarbeit mit der Soziologie für eine bessere Akzeptanz beispielsweise sehr spezifischer Zuchtmethoden sorgen kann“. An der Universität Hohenheim spricht Dekan und Professor Ralf Vögele ebenfalls ein Meta-Thema an. „Wir haben schon seit zehn Jahren eine Schwerpunktsetzung in der Bioökonomie und kooperieren hier auch auf europäischer Ebene. Das wird auch in den nächsten zwanzig Jahren ein Schwerpunkt bleiben: der Wandel von einer fossilen zur biologischen Wirtschaft, eine Landwirtschaft, die ihre Rolle erklärt, eine Gesellschaft, die wieder näher an die Landwirtschaft rückt. Hier können wir eine Vermittlerrolle übernehmen.“

Module auf dem Prüfstand

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Zweite Studiendekanin, Professorin Regina Birner, beschreibt, wie bei der gerade zurückliegenden Reform der Bachelor-Studiengänge jedes einzelne Modul darauf überprüft wurde, welche Inhalte bleiben können und welche rausfallen. So gehe man auch bei der anstehenden Reform der Master-Studiengänge vor. „Wir holen uns dafür Input von außen durch Fachleute aus Unternehmen und Verbänden. So erfahren wir, was künftige Arbeitgeber unserer Absolventen erwarten. Auch Alumni werden hinzugezogen“, so Birner. Die Anpassung an die Zukunft finde im Detail statt, so habe man etwa beim Thema „Böden“ die Grundlagen der Düngung im Grundstudium behalten, aber bestimmte spezielle chemische Aspekte in das Vertiefungsstudium gelegt. „So können wir innerhalb eines Moduls einen besseren Zuschnitt und stärkere Komprimierung erreichen. Wir haben es geschafft, nicht nur Inhalte zu streichen, sondern auch neue zu integrieren und trotzdem die Länge des Grundstudiums zu verringern“, ergänzt Forschungsdekan Professor Ludwig Hölzle. Neue Themen, die entweder in bestehende Module oder in neue Wahlmodule einfließen, kommen und gehen immer wieder. „Die Aquaponik etwa haben wir wieder herausgenommen, weil wir nicht nah genug an passenden Gewässern sind“, berichtet Dekan Vögele. „Vertical Farming wird als Nische dauerhaft bleiben, für Sonderkulturen wie Salat oder Kohl und in großen Städten. Aber es kann nicht die Flächenproduktion etwa von Weizen oder Reis ersetzen.“

Fokus auf Bodengesundheit
Magister Holger Mittelstraß ist Studienkoordinator am Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel. An deren Standort Witzenhausen wird schon seit mehr als 40 Jahren ökologischer Landbau gelehrt. Mittelstraß glaubt, dass dieser sich kräftig verändern müsse, um das im Klimaschutzpakt angestrebte Ziel einer Verdoppelung des Betriebsanteils bis 2030 zu erreichen. „Agroforstsysteme und die regenerative Landwirtschaft könnten stärker in den Fokus geraten. Bodengesundheit, Humusbildung und Minimalboden­bearbeitung sind auch in der biologischen Landwirtschaft noch ausbaufähig“, so Mittelstraß. Weiteres Verbesserungspotenzial, das sich künftig auch in den Studieninhalten niederschlagen müsse, sieht er beim Tierwohl, der Verbesserung der Wertschöpfungsketten vom Acker auf den Teller sowie verstärkter Regionalisierung und wasserschonenden Anbaumethoden. Am Agrartechnik-Lehrstuhl in Witzenhausen werde zudem intensiv an elektrischen, autonomen Feldmaschinen geforscht, die auf kleineren Flächen Arbeiten mit weniger Leistungsbedarf, etwa Hacken, Mähen oder Striegeln, hoch produktiv ausführen können. So wie Mittelstraß von Wertschöpfungsketten spricht, einem gesellschaftlich-ökonomischen und nicht im engeren Sinne agrarischen Thema, so spricht auch Professor Georg Thaller, Prodekan der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel, davon, dass eine künftig „engere Zusammenarbeit mit der Soziologie für eine bessere Akzeptanz beispielsweise sehr spezifischer Zuchtmethoden sorgen kann“. An der Universität Hohenheim spricht Dekan und Professor Ralf Vögele ebenfalls ein Meta-Thema an. „Wir haben schon seit zehn Jahren eine Schwerpunktsetzung in der Bioökonomie und kooperieren hier auch auf europäischer Ebene. Das wird auch in den nächsten zwanzig Jahren ein Schwerpunkt bleiben: der Wandel von einer fossilen zur biologischen Wirtschaft, eine Landwirtschaft, die ihre Rolle erklärt, eine Gesellschaft, die wieder näher an die Landwirtschaft rückt. Hier können wir eine Vermittlerrolle übernehmen.“ 

Module auf dem Prüfstand
Die Zweite Studiendekanin, Professorin Regina Birner, beschreibt, wie bei der gerade zurückliegenden Reform der Bachelor-Studiengänge jedes einzelne Modul darauf überprüft wurde, welche Inhalte bleiben können und welche rausfallen. So gehe man auch bei der anstehenden Reform der Master-Studiengänge vor. „Wir holen uns dafür Input von außen durch Fachleute aus Unternehmen und Verbänden. So erfahren wir, was künftige Arbeitgeber unserer Absolventen erwarten. Auch Alumni werden hinzugezogen“, so Birner. Die Anpassung an die Zukunft finde im Detail statt, so habe man etwa beim Thema „Böden“ die Grundlagen der Düngung im Grundstudium behalten, aber bestimmte spezielle chemische Aspekte in das Vertiefungsstudium gelegt.
„So können wir innerhalb eines Moduls einen besseren Zuschnitt und stärkere Komprimierung erreichen. Wir haben es geschafft, nicht nur Inhalte zu streichen, sondern auch neue zu integrieren und trotzdem die Länge des Grundstudiums zu verringern“, ergänzt Forschungsdekan Professor Ludwig Hölzle. Neue Themen, die entweder in bestehende Module oder in neue Wahlmodule einfließen, kommen und gehen immer wieder. „Die Aquaponik etwa haben wir wieder herausgenommen, weil wir nicht nah genug an passenden Gewässern sind“, berichtet Dekan Vögele. „Vertical Farming wird als Nische dauerhaft bleiben, für Sonderkulturen wie Salat oder Kohl und in großen Städten. Aber es kann nicht die Flächenproduktion etwa von Weizen oder Reis ersetzen.“ 

Internationale Forschung

 

 

 

 

Professor Karl H. Mühling, Dekan der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Kiel, spricht sich ebenfalls gegen zu viel Spezialisierung in den traditionellen Bachelorstudiengängen der Agrarwissenschaften aus. Der Internationalisierung wurde in Kiel mit speziellen Master-Studiengängen Rechnung getragen, während die Studiengänge zu Nutzpflanzen-, Nutztier- und Umweltwissenschaften sowie Agrar- und Ernährungsökonomie erhalten blieben. Die Uni Kiel wendet sich zunehmend internationalen Forschungsthemen wie etwa Versauerung und Versalzung der Böden zu. „In vielen Regionen zeigt sich, dass der bewässerte Landbau in den semi- und ariden Gebieten der Erde zur Versalzung der Böden führt. Das kann ungenügende Ernten, Ernährungsschwierigkeiten und in letzter Konsequenz große Flüchtlingsbewegungen zur Folge haben. Wenn Trockenheit und Überflutungen auch in Deutschland immer mehr zum Problem werden, können Lösungen für Kulturpflanzen nur mit einer Systemwissenschaft auf dem Feld gefunden werden, nicht in der Petrischale. Deshalb muss die Bedeutung der Agrarwissenschaft in den kommenden Jahrzehnten so aufgewertet werden, wie das in China oder Pakistan beispielsweise bereits der Fall ist.“