Vollzeit oder Teilzeit?

Landwirtschaftliche Betriebe, auf denen nur Familienmitglieder arbeiten, sind zur Minderheit geworden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Landwirtschaft hat keinen familiären Hintergrund. Was gibt es bei der Anstellung von Menschen, die nicht zur Familie gehören, zu beachten? Welche Anstellungsverhältnisse mit welchen Vor- und Nachteilen sind möglich?
Veröffentlicht am 21.11.2024
Vollzeit oder Teilzeit?

Insgesamt arbeiteten 2020 fast eine Million Menschen (938.000) in der Landwirtschaft. Von ihnen sind 434.000 Familienarbeitskräfte und 504.000 familienfremd. Von diesen wiederum waren 275.000 Saisonarbeitskräfte, also 55 Prozent. Das geht laut Bundeslandwirtschaftsministerium aus der Landwirtschaftszählung hervor. Grundsätzlich gelten auf landwirtschaftlichen Betrieben die gleichen Regeln wie in anderen Bereichen der Wirtschaft und also gibt es auch die gleichen Beschäftigungsverhältnisse: Vollzeit, Teilzeit, Midi- oder Minijob. Hinzu kommen unter Umständen Freiberufler oder Dienstleister sowie Lohnunternehmer – diese gelten aber nicht als Beschäftigungsverhältnisse. Auch auf landwirtschaftlichen Betrieben gelten zudem die allgemeinen Sozialgesetze wie etwa der aktuelle Mindestlohn oder die Beschränkung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie der Arbeit in der Nacht und an Wochenenden sowie Feiertagen, samt den zugehörigen Dokumentationspflichten. Allerdings gibt es gerade bei der Arbeitszeit Ausnahmen für Saison- und Kampagnenbetriebe. Es ist grundsätzlich angeraten, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, denn es drohen bei Verstößen Bußgelder, in gravierenden Fällen kann sogar eine Straftat daraus werden. Abweichungen von der zulässigen Höchstarbeitszeit müssen in der Regel bei den Gewerbeämtern beantragt werden – detaillierte Informationen gibt es bei der zuständigen Landwirtschaftskammer.

Wenn Beschäftigte eingestellt werden, denken viele Arbeitnehmer wie Arbeitgeber zuallererst an das klassische Normalarbeitsverhältnis: Vollzeit-Jobs, bei denen an Werktagen acht Stunden gearbeitet wird. Gerade beim ersten familienfremden Beschäftigten kann das schnell zur Belastung werden, wenn es mal nicht rund läuft. Denn Vollzeitbeschäftigte müssen und wollen ihre Vollzeitarbeit und ihren Lohn auch dann, wenn Hagel die Ernte vernichtet hat und plötzlich nichts oder deutlich weniger zu tun ist als gedacht. Eine Kündigung (nach der Probezeit) ist schwierig und kaum kurzfristig umsetzbar.

Deshalb ist eine Teilzeitstelle vielleicht zunächst die bessere Wahl. Ob das eine Stelle im Umfang von 20, 50 oder 80 Prozent ist oder irgendetwas dazwischen, bleibt den Vertragsparteien überlassen. Allerdings sind auch Teilzeitbeschäftigte in der Regel so wie Vollzeitmitarbeiter rund ums Jahr im Betrieb, also auch zu den Zeiten, in denen witterungsbedingt weniger Arbeit anfällt. Teilzeitkräfte zu Spitzenzeiten in Vollzeit zu beschäftigen und das in den ruhigen Monaten auszugleichen ist eine grundsätzlich gute Idee, muss aber dennoch mit den geltenden Arbeitszeitregeln und sonstigen Bestimmungen konform sein.

Midi- und Minijob sowie Saisonarbeit sind deshalb für Arbeitsspitzen oft die bessere Wahl. Die beiden erstgenannten sind der Teilzeit recht ähnlich, haben allerdings bestimmte Verdienstgrenzen (Minijob aktuell maximal 538 Euro im Monat, Midijob zwischen 538 und 2000 Euro). Bei beiden Beschäftigungsarten sind die Sozialabgaben vereinfacht und reduziert, aber die Arbeitsverhältnisse auf Dauer angelegt. Wer tatsächlich nur für beispielsweise drei Monate im Sommer Beschäftigte braucht, der sollte sich mit den Themen Saisonarbeit und kurzfristige Beschäftigung beziehungsweise befristete Arbeitsverträge auseinandersetzen. Diese sind grundsätzlich für aus- wie inländische Beschäftigte möglich und als Mini-, Midi- oder normaler Job. Aber auch hier gibt es große Fallstricke, bei ausländischen Saisonkräften beispielsweise die Themen Unterbringung, Verpflegung, Steuern, Arbeitsmittel. Bei befristeten Arbeitsverträgen sind vor allem die sogenannten Kettenbefristungen ein großes Thema – es geht nicht mehr, so wie früher, Beschäftigte jahrelang immer wieder mit befristeten Arbeitsverträgen anzustellen. Ohne sachlichen Grund (zum Beispiel Probezeit oder Krankheitsvertretung) dürfen befristete Arbeitsverträge höchsten dreimal innerhalb von zwei Jahren verlängert werden.

Schon dieser kleine Streifzug durch die landwirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse zeigt, wie komplex das Thema ist. Gefahr droht Arbeitgebern dabei zwar auch durch Kontrollen, viel mehr aber wenn ein zuvor gutes Verhältnis zu Beschäftigten ins Negative kippt und diese sich über illegale Regelungen beschweren oder sie als Klagegrund nehmen. Wie sehr der Teufel manchmal im Detail steckt, zeigt ein Beispiel: Arbeitsverträge sind zwar üblicherweise schriftlich, besitzen aber auch als mündliche Vereinbarung Rechtskraft. Eine Befristung aber MUSS schriftlich festgehalten werden, sonst ist sie ungültig. Wer also mündlich und per Handschlag ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, hat einen gültigen Arbeitsvertrag abgeschlossen, aber keine gültige Befristung vereinbart. Der oder die Beschäftigte könnte also bei Ende der Befristung die Weiterbeschäftigung verlangen und hätte wohl auch gute Karten vor dem Arbeitsgericht.

Mehr Infos:
Kurze Übersicht über die Beschäftigungsformen
https://www.praxis-agrar.de/betrieb/betriebsfuehrung/beschaeftigung-in-gruenen-berufen/arbeitsverhaeltnisse-auf-landwirtschaftlichen-betrieben

LWK Niedersachsen zu Arbeitszeiten in der Landwirtschaft
https://www.lwk-niedersachsen.de/lwk/news/33312_Arbeitszeit_in_der_Landwirtschaft

Bundeslandwirtschaftsministerium zu Beschäftigung und Mindestlohn
https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/agrarsozialpolitik/saisonarbeitskraefte-landwirtschaft.html

Minijob-Zentrale zu Minijobs für Erntehelfer
https://magazin.minijob-zentrale.de/kurzfristige-minijobs-erntehelfer/