Fristlose Kündigung wegen Beleidigung?
Die in vielen Betrieben vor der Tür stehenden Weihnachtsfeiern sind nicht immer nur ein Quell der Freude. Neben vielen anderen mehr oder minder lustigen Begebenheiten, die mit Firmenfeiern einher gehen können, zählen auch beleidigende Entgleisungen dazu. Natürlich enden Firmenfeiern nicht grundsätzlich im kollektiven Besäufnis samt enthemmtem Verhalten, aber ebenso stimmt auch, dass so etwas vorkommen kann. Alkohol lockert bekanntlich durchaus die Zunge und dann kann es auch zu Beleidigungen kommen. Diese können Kollegen und Kolleginnen betreffen, Vorgesetzte oder Untergebene. Ob nüchtern oder angeheitert, ob auf der Firmenfeier, im Betriebsalltag oder nach Feierabend: Ein „Arschloch“ oder „blöde Sau“ oder noch schlimmere Beleidigungen sind ein No-Go. Aber welche Folgen haben sie und rechtfertigen sie unter Umständen sogar eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung?
Die Frage kann durchaus auch mit „Ja“ beantwortet werden, aber korrekter wäre: „Nur in Ausnahmefällen“. Grundsätzlich können Beleidigungen zu verhaltensbedingten Kündigungen führen. Vor einer solchen Kündigung ist eine Abmahnung Standard, anders als bei einer betriebs- oder personenbedingten Kündigung. Aus betrieblichen Gründen wird beispielsweise gekündigt, weil die Auftragslage schlecht ist. Die Kündigung aus persönlichen Gründen kann dann ausgesprochen werden, wenn Beschäftigte aus Gründen, die in ihrer Person liegen, die Arbeitsleistung nicht erbringen können – etwa wegen dauerhafter Erkrankung oder Antritt einer Haftstrafe. Es ist klar, dass bei diesen Kündigungsarten eine Abmahnung keinen Sinn ergibt. Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist das anders, hier könnte durch eine Abmahnung eine Änderung des Verhaltens erfolgen. Deshalb ist in vielen arbeitsgerichtlichen Prozessen entschieden worden, dass so eine Abmahnung vor der ordentlichen oder der fristlosen Kündigung erforderlich ist. Allerdings sind auch anderslautende Urteile ergangen.
Dabei geht es dann meist um besonders schweres Fehlverhalten von Beschäftigten, also beispielsweise Diebstahl oder Betrug. Zählt ein herzhaftes „Arschloch“ dem Chef gegenüber als Verhalten, das eine sofortige Kündigung rechtfertigt? Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung dürfte sich nur dann als gerichtsfest erweisen, wenn das Unternehmen überzeugend darlegt, dass es ihm nicht zugemutet werden kann, zunächst eine Abmahnung auszusprechen und/oder die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Dazu müsste nachgewiesen werden, dass das Arbeitsklima und/oder die Arbeitsabläufe durch die Beleidigung bzw. das beleidigende Verhalten so stark gestört ist, dass nur eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses hier Abhilfe schaffen kann. Man muss kein Jurist sein, um sich vorzustellen, dass dieser Nachweis nicht so leicht gelingen dürfte.
Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle in Gottes Hand, heißt es gerne. Wer nach den Schlagwörtern „Beleidigung“ und „Kündigung“ im Internet sucht, findet ein riesiges Angebot an Falldarstellungen und eine große Bandbreite an Urteilen – auch gleiche Formulierungen führen nicht immer zum gleichen Urteil. Denn es spielt eine große Rolle, ob eine Beleidigung öffentlich oder im privaten Zweiergespräch erfolgt ist, wiederholt wird oder nicht, ob eine Entschuldigung sofort und freiwillig erfolgt, nach Aufforderung oder ob diese gar aktiv verweigert wird, ob eine Beleidigung in einer aufgeheizten Streitsituation erfolgt oder kühl und wohlüberlegt. Und natürlich spielt auch die persönliche Situation der Person, die beleidigt hat, eine Rolle (z.B. Bildung, Psyche, Betriebszugehörigkeit). Schließlich auch die allgemeine Situation im Betrieb: Wo immer ein eher rauer Umgang herrscht liegt die Messlatte für ein schweres persönliches Fehlverhalten höher als in einem Unternehmen, das sehr großen Wert auf höfliches Verhalten legt und wo dies auch im Betriebsalltag gelebt wird.