Endstation Homeoffice: Homeoffice als Karrierekiller?

Homeoffice ist eine große und wohl auch dauerhafte Folge der Corona-Pandemie. Manche freut das, andere nicht. Der Bundesarbeitsminister setzt sich sogar für ein Recht auf Homeoffice ein. Nun macht eine Studie die Runde, laut der das zum Karrierekiller werden könnte.
Veröffentlicht am 30.11.2022
Endstation Homeoffice: Homeoffice als Karrierekiller?

Es ist schon fast zum Allgemeingut geworden, dass Homeoffice eine dauerhafte Konsequenz der Corona-Pandemie bleiben wird. Und es liegt ja auch auf der Hand, dass Unternehmen nach vielen Monaten meist erfolgreichen und weitgehend reibungslosen Homeoffice ihren Beschäftigten gegenüber nur schwache Argumente haben, wenn diese auch unabhängig von Krankheitswellen und Inzidenzen gerne von zuhause aus arbeiten wollen. Manchmal liest man gar, es sei eine Art Gewohnheitsrecht am Entstehen. Auch der Bundesarbeitsminister spricht sich oft dafür aus. Und im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass „Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice erhalten sollen. Arbeitgeber sollen dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen können, wenn betriebliche Belange entgegenstehen“ (Webseite Bundesarbeitsministerium BMAS). Unternehmen sollen einen Wunsch nach Homeoffice also nur noch begründet ablehnen können. Das BMAS weist aber auch darauf hin, dass es noch keine gesetzliche Regelung gibt. Ein Recht auf Homeoffice existiert also (noch?) nicht.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Beschäftigte können Arbeit und Privatleben besser miteinander vereinen. Der Umwelt bleibt Pendelverkehr erspart. Unternehmen sparen Büroraum und es gibt etliche Untersuchungen, dass sich auch die Arbeitsproduktivität oft erhöht. Demgegenüber scheinen die offensichtlichsten Nachteile – weniger Trennung zwischen Arbeit und Privatleben, weniger sozialer Kontakt mit den Kollegen und Kolleginnen – weniger schwer zu wiegen. Nun macht eine bereits relativ alte Studie auf’s Neue die Runde, die auch einen großen Nachteil aufgedeckt hat: Homeoffice könnte ein Karrierekiller sein.

Für die Studie hat ein Forscherteam der Stanford-University in den USA ein Experiment bei einem großen chinesischen Reisekonzern begleitet. Das Unternehmen mit damals rund 16.000 Beschäftigten bot Angestellten in Callcentern an, von zuhause zu arbeiten. Unter jenen, die sich freiwillig dafür entschieden, wurden zwei gleich große Gruppen nach dem Zufallsprinzip für die Arbeit im Büro oder von zuhause ausgewählt. Neben deutlich messbaren positiven Effekten (13 Prozent höhere Produktivität, 50 Prozent niedrigere Fluktuation, höhere Zufriedenheit) zeigte sich auch, dass die Beschäftigten im Homeoffice bei leistungsabhängigen Beförderungen benachteiligt wurden. Und zwar in enormem Ausmaß, ihre Beförderungsquote sank um 50 Prozent.

Was bedeutet das? Für die Relevanz dieser Untersuchung spricht, dass sie durch das Studiendesign mit der zufälligen Einteilung „Homeoffice vs. Büro“ von hoher methodischer Relevanz ist. Kausale Auswirkungen und Folgen des Homeoffice sind schwer zu erforschen, weil eben diese Zufälligkeit – zumindest in der Corona-Pandemie – kaum gegeben war. Gegen die Studie spricht aber, dass sie mit knapp 250 Teilnehmenden keine wirklich breite Basis hat und bereits vor zehn Jahren durchgeführt wurde. Der Wandel in der Arbeitswelt ist seither weitergegangen und hat sich durch das massive Homeoffice während Corona sicherlich noch beschleunigt. Die Annahme, dass Arbeiten im Homeoffice zum Faulenzen und zu geringerer Arbeitsleistung führt, dürfte heute viel seltener vertreten werden als vor zehn Jahren.

Dennoch sollte die Studie als zumindest starkes Indiz dafür gesehen werden, dass zu viel Homeoffice die Karriere bremsen kann. Denn wir erleben ja oft, dass im Betriebsalltag die tatsächliche Leistung eben nicht das Maß aller Dinge ist – Beziehungen, Netzwerke, soziale Fähigkeiten spielen auch eine Rolle. Und keine kleine.