Berufliche Schulen im Umbruch

Auch in den Berufsschulen findet gerade eine große Umwälzung statt. Wie die gesamte Gesellschaft stehen sie – und mit ihnen die landwirtschaftliche Berufsausbildung – vor großen Herausforderungen.
Veröffentlicht am 22.05.2023
Berufliche Schulen im Umbruch

Der Trend geht zur akademischen Ausbildung, aber auch in Zukunft wird es im Agrobusiness viele Berufe und Stellen geben, die ausschließlich oder sehr stark praktisch organisiert sind und für die eine klassische duale Berufsausbildung der übliche Zugangsweg bleiben dürfte. Aber die Berufsschulen stehen vor Herausforderungen: Mit den geburtenstarken Jahrgängen der Babyboomer-Generation verschwinden auch viele Lehrer und Lehrerinnen in die Rente. Eine Bertelsmann-Studie hat festgestellt, dass bis 2033 rund 60.000 Lehrkräfte an beruflichen Schulen aus dem Dienst ausscheiden, aber in diesem Zeitraum nur rund 30.000 Absolventen für das berufliche Lehramt die Hochschulen verlassen werden. Dass im demographischen Wandel auch die Zahlen der Schüler und Schülerinnen an beruflichen Schulen sinken, dürfte sich mildernd auswirken, ist aber kaum in der Lage, den Rückgang der Lehrkräfte und die vielen neuen Herausforderungen zu kompensieren.

Die Berufsschulen müssen Lösungen finden für weitere Probleme wie etwa die sich verändernde soziale Zusammensetzung ihrer Schüler und Schülerinnen. Das schafft Probleme bei der Wissensvermittlung, aber auch im sozialen Alltag an den Schulen. Gleichzeitig kommen neue Aspekte hinzu, die zusätzlich zum klassischen Lehrstoff vermittelt werden wollen: Digitalisierung, Veränderungen im Anbau durch den Klimawandel, Verbraucherorientierung, neue Marktzugänge, Erlösmodelle und Maschinentechnik sowie verstärkte Technisierung der Produktion und vieles weitere mehr.

Die Fachzeitschrift „B&B Agrar“, die vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) publiziert wird, widmet sich nun der Zukunft der Berufsschulen. Es werden Handlungsansätze gezeigt, die dabei helfen, Antworten auf Zukunftsfragen zu finden und sich als feste Säule bei der Fachkräftesicherung zu behaupten. Innovative Ansätze wie beispielsweise die Lehrer-Online-Akademie oder die „Teaching Clinic“ in der Agrarpädagogik werden vorgestellt. Auch Projekte wie das „Portal für Lehrkräfte“, die Lernplattform „mebis“ und die „Digitale Landwirtschaftsschule“ in Bayern als Beispiele für die digitale Unterstützung des Unterrichts sind darin vertreten. Vorgestellt werden Maßnahmen, um Mitarbeitende zu professionalisieren und ihre Identifikation mit der Berufsschule und den Lernstrukturen zu stärken. Wie Prozesse optimiert werden können zeigen Beispiele aus Baden-Württemberg oder Mecklenburg-Vorpommern.

Den dringenden Handlungsbedarf in den Berufsschulen verdeutlichen verschiedene Akteure: Der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung moniert die Fachkräfteproblematik. Branchenverbände wie der Zentralverband Gartenbau fordern angesichts des drohenden Personalnotstands und möglicher Wissensdefizite eine Stärkung der beruflichen Schulen und der Ausbildungsbetriebe. Laut dem aktuellen Ausbildungsreport der DGB-Jugend bemängelt eine Mehrheit der Auszubildenden an beruflichen Schulen deren digitale Ausstattung.

Aus dieser knappen Gesamtschau leiten sich konkrete Anforderungen ab. So müssen die Träger der beruflichen Schulen in die Digitalisierung, aber auch in die Vermittlung weiterer neuer Fachinhalte investieren. Durch die zunehmende Vielfalt der Aufgaben auch jenseits der klassischen Produktion von Agrarerzeugnissen muss sich die berufliche Schule künftig stärker am Arbeitsmarkt ausrichten. Auch eine stärkere Schulsozialarbeit dürfte angesichts der vielfältigeren Herkünfte und Sozialisation der Schüler und Schülerinnen nötig werden. An bayerischen Landwirtschaftsschulen wird mit Wahlpflichtmodulen, Blended Learning und der stärkeren Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt reagiert. In manchen ostdeutschen Bundesländern ist eine Konzentration der Berufsschulen auf Standorte in Großstädten zu sehen, in anderen ist geplant, maximal einen Berufsschulstandort pro Kreis und Beruf zu erhalten. Außerdem werden vermehrt überregionale Fachklassen gebildet – dies beispielsweise auch bereits in Hessen. Mit solchen Konzentrationstendenzen einher gehen teilweise sinkende Mindestklassengrößen, aber vor allem auch die Ausweitung von Blockunterricht.

Der aktuellen Problematik der Berufsschulen widmet sich die März-Ausgabe der Fachzeitschrift „B&B Agrar“ auf 34 Seiten. Das Heft kann als PDF kostenlos heruntergeladen werden: https://www.bildungsserveragrar.de/fachzeitschrift/