Carina Dünchem - Lebe Liebe Landwirtschaft

Carina Dünchem sucht den Dialog mit den Menschen auf Facebook und Instagram. Sie will Begeisterung und Verständnis für die Landwirtschaft wecken.
Veröffentlicht am 02.09.2021
Carina Dünchem - Lebe Liebe Landwirtschaft

Angefangen hat alles mit einem Kontakt zu einer Dame auf dem Fahrrad mitten in der Ernte auf einem Wirtschaftsweg – ein Gewitter drohte. Mit wenig Verständnis hat diese Dame Carina Dünchem an der Weiterfahrt mit ihrem vollbeladenen Getreideanhänger gehindert – an einem Sonntag! Da stand für die junge Frau fest: Hier gibt es Aufklärungsbedarf. Da die Kommunikation zwischen Landwirten und Verbrauchern weiter wichtig bleibt, sieht die Landwirtin auch in den kommenden Jahren ihre Berufskolleginnen und Kollegen gefordert. Fünf Jahre ist der Vorfall mit der Radfahrerin her, und seitdem ist Carina Dünchem aus Andernach in den sozialen Medien unterwegs. Zunächst hat sie Posts zu ihrer Arbeit auf dem elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb auf ihrem privaten Facebook-Account veröffentlicht. Dabei war ihre Intention, der nicht-landwirtschaftlichen Bevölkerung ihre Arbeit näherzubringen – ihnen zu zeigen, wo denn eigentlich ihre Sonntagsbrötchen produziert werden. Das häufige Teilen ihrer Posts und die zahlreichen Rückmeldungen haben sie ermutigt, sich intensiver mit dieser Art der Kommunikation zu beschäftigen, die sie als Zukunftsaufgabe begreift. Und sie richtete einen professionellen Account unter „Lebe Liebe Landwirtschaft“ ein. Dieses Motto spiegelt ihre Einstellung zu ihrer Arbeit wider: Sie lebt für die Landwirtschaft und ist gern in der Nahrungsmittelproduktion unterwegs. Und genau diese Einstellung will sie mit anderen teilen. „Die Menschen heute sind weit weg von der Landwirtschaft. Das Nahrungsmittelangebot ist das ganze Jahr über selbstverständlich vorhanden. Nur wenige wissen, wie und unter welchen Umständen es produziert wird.“ Und sie lässt auch nicht unerwähnt, dass sie an einem heißen Sommertag vielleicht auch lieber am Strand oder auf der Terrasse sitzen würde, anstatt in der Ernte zu schwitzen. Lebensnah und authentisch über die landwirtschaftliche Arbeit zu berichten, soll Verständnis in der Gesellschaft wecken. Eine Aufgabe, die bei zunehmenden politischen Debatten über Nachhaltigkeit und Klimaschutz an Bedeutung gewinnen wird.

Berufsalltag beschrieben mit allen Herausforderungen

Carina Dünchem beschreibt ihren landwirtschaftlichen Alltag mit allen seinen Herausforderungen. Bald ist sie damit auch von Facebook auf Instagram umgeschwenkt. „Hier ist die Reichweite größer“, so ihre Erfahrung. Sie erklärt die einfachsten Dinge: wie beispielsweise Kartoffeln gepflanzt, später gepflegt und dann geerntet werden. So wird das Kartoffelpflanzen mit Videos anschaulich beschrieben. Oder sie erklärt den Einsatz mit Pflanzenschutzmitteln und warum ihr Vater Franz-Josef auf dem Betrieb in den vergangenen trockenen Jahren keine Fungizide in der Blütezeit des Rapses ausgebracht hat. Auch dass, wenn notwendig, Mittel nach dem Bienenflug in enger Absprache mit dem ansässigen Imker ausgebracht werden, oder in dem erforderlichen Abstand zu den Bienen – warum Pflanzenschutzmaßnahmen generell notwendig sind. Und wenn der Trecker mitten in den Arbeiten kaputt geht, wird auch das ausführlich erklärt. Schließlich ist sich die studierte Betriebswirtschaftlerin nicht zu schade, sich selber unter die Maschinen zu legen, um zu reparieren, wenn es möglich ist. Schließlich spart das Kosten. Auch ihren Mähdrescher hat sie bereits einmal gemeinsam mit ihrem Partner Alexander Pütz halb auseinandergenommen. Der Landmaschinen-Mechatronikermeister hat sie mit seinem Wissen dabei unterstützt. „Das hilft, die Prozesse in einer Maschine zu verstehen. Und wenn es hakt, weiß man häufig auch schneller, woran es liegen kann“, so die 33-Jährige. Gleichzeitig scheut sie sich aber auch nicht, darauf hinzuweisen, wenn ihre Felder von anderen Menschen missachtet werden. So ärgert es die Rheinland-Pfälzerin schon, wenn zur Rapsblüte Menschen mit oder ohne Pferde in dem schönen Gelb für Fotos posieren oder mit Auto oder Quad auf einem Weizenfeld herumfahren. Ganz abgesehen davon, dass dann manchmal auch Rapspflanzen herausgerissen werden und generell der Aufwuchs an den Stellen zerstört wird. „Mir ist es wichtig, dass ich darauf aufmerksam mache, dass es hier um das Eigentum von anderen Menschen und um Lebensmittelerzeugung geht.“ Auch dabei ist ihr Anspruch, die Menschen aufzuklären, mit ihnen zu sprechen, nicht sie zu belehren.

Hobbygärtner fragen nach Tipps

Manchmal sind es die ganz einfachen Dinge, die ihre Follower ansprechen. „Da gibt es dann auch durchaus Nachfragen oder Menschen bedanken sich für Informationen“, so ihre Erfahrungen. So bekam sie schon einmal Bilder von Hobbygärtnern mit Flecken auf deren Kartoffeln zugeschickt. Oder ob man gekeimte Kartoffeln noch essen kann, war von Interesse. Rund 30 Prozent ihrer Follower stammen aus der „normalen“ Verbraucherschaft. Die restlichen 70 Prozent sind Kollegen und Kolleginnen aus der Landwirtschaft. 1,5 bis zwei Stunden am Tag verbringt Carina Dünchem mit der Kommunikation auf Sozialen Netzwerken. Neben den Fotos, die gemacht werden müssen, ist die Story in drei bis fünf Minuten erzählt. Der Rest entfällt darauf, Nachrichten zu beantworten. Die Agrarbloggerin liest alle Rückfragen durch. Dabei merkt sie auch, dass sie manchmal Sachverhalte voraussetzt, die andere nicht kennen, und bemüht sich dann um Klarstellung. Einen Shit-Storm? Hat sie bisher noch nicht erlebt. „Meine Community ist eher friedlich“, so ihr Resümee. Allerdings räumt sie auch ein, dass sie als Ackerbäuerin weniger Angriffsfläche bietet als vielleicht ein tierhaltender Betrieb. Diskussionen dagegen hat sie durchaus geführt. So kam sie mit einer überzeugten Käuferin von Biolebensmitteln ins Gespräch. Sie konnte der jungen Frau ihren Standpunkt als konventioneller Ackerbaubetrieb erklären. Beide haben die gegenseitige Haltung respektiert. Und sie freut sich über die Anerkennung ihrer Arbeit in dem Betrieb, den sie gemeinsam mit ihrem Vater führt: „Dafür bin ich dankbar und es macht Spaß.“

Zahl der Follower steigt stetig

Aber auch der Austausch mit anderen Landwirtinnen und Landwirten bereitet ihr viel Vergnügen. Der Anteil ihrer Follower steigt stetig. Auf Facebook sind es 4.500, auf Instagram 27. 000. Nachdem ein Bericht in einer Frauenzeitschrift über die junge Landwirtin erschienen ist, zog die Zahl noch einmal an. Zu Beginn hat es sie schon etwas Überwindung gekostet, vor der Kamera zu reden. Das ist teilweise heute noch so, jetzt kommt aber die Routine dazu. Auch wenn sie Privates weitestgehend aus den Posts heraushält, wollen die Menschen schon wissen, was noch hinter der Person steht, die hier von ihrer Arbeit berichtet. So gibt sie manches preis, aber nicht alles. Neben dem Anspruch auf Aufklärung hat sie gleichzeitig mit ihrer Marke „Lebe Liebe Landwirtschaft“ in der Branche für Aufmerksamkeit gesorgt. Die findige Unternehmerin hat sich den Namen auch gleich schützen lassen. So bekam sie beispielsweise von Landmaschinenherstellern bei der Suche nach einer neuen Sämaschine mehrere Fabrikate zum Ausprobieren angeboten. Die Ergebnisse auf ihrem Betrieb und ihren Böden hat sie dann ebenfalls geteilt. Auch die Nachfrage nach ihren T-Shirts und Hoodies mit dem Aufdruck ihrer Marke bedient sie auf ihrer Homepage in einem Onlineshop. Hier arbeitet sie mit einem Profihersteller dieser Artikel zusammen. „Ich war schon überrascht, dass das Interesse so groß war.“

Hashtag Ackergift

Bei ihren Hashtags achtet Carina Dünchem auf eine große Spannbreite. Damit will sie Menschen erreichen, mit denen sie sonst vielleicht nicht in Kontakt kommen würde. So hat sie beispielsweise kein Problem damit, bei einer Story über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auch den Hashtag Ackergift zu setzen. „Auch wenn die Gefahr besteht, dass ich auf diesem Weg auf Konfrontation gerate, komme ich im besten Fall mit den Menschen zu diesem Thema in den Dialog “, so ihre Einstellung. Und das wünscht sie sich generell und in stärkerem Ausmaß: den Dialog über die Landwirtschaft vor allem mit Menschen, denen das Thema fremd ist. „Zu lange ist auf diesem Gebiet nichts passiert und jetzt hat sich die Gesellschaft auch ein wenig auf uns eingeschossen“, so ihr Eindruck. Und sie räumt auch ein, dass es in der Landwirtschaft durchaus Vertreter und Vertreterinnen gibt, die diese Gegenwehr mit ihrem Verhalten provozieren. Dennoch: das Gespräch suchen und aufklären, wenn Bedarf besteht. Das kann jeder in seinem Bekanntenkreis tun, ist sie fest überzeugt. Und deshalb ist die Kommunikation zwischen Landwirten und Verbrauchern auch in den kommenden Dekaden eine Zukunftsaufgabe.

Quelle: agrarzeitung von Dagmar Hofnagel