Vorbereitung aufs Vorstellungsgespräch - Stärken und Schwächen taktisch kommunizieren

Die Frage nach den eigenen Stärken und Schwächen kommt in vielen Vorstellungsgesprächen. Deshalb ist es allemal sinnvoll, sich darauf vorzubereiten. Und das ist nicht trivial, deshalb hier wichtige Tipps und Tricks.
Veröffentlicht am 30.09.2021
Vorbereitung aufs Vorstellungsgespräch - Stärken und Schwächen taktisch kommunizieren

Viele Menschen sind gehemmt, ihre eigenen Leistungen herauszustellen – Bescheidenheit ist ein weit verbreitetes, durchaus sinnvolles Erziehungsziel und wünschenswertes Verhalten. Im Vorstellungsgespräch aber müssen wir das temporär vergessen – ohne aber, und hier lauert gleich der nächste Fallstrick, in das Gegenteil zu verfallen. Sich selbst über den grünen Klee lässt uns auch nicht sympathisch wirken. Erschwert wird die Frage nach den Stärken und Schwächen von manchen Recruitern durch zusätzliche Spitzen. Etwa indem dir Frage indirekt formuliert wird. Oder gar mit Formulierungen wie: „Wo sehen Sie eigentlich ihre Stärken – in der Mathematik ja offensichtlich nicht.“ Hier Ruhe zu bewahren und eine angemessene, ehrliche und trotzdem auch taktisch passende Antwort zu geben, ist nicht ganz leicht. Deshalb ist es entscheidend, sich rechtzeitig auf diese Frage vorzubereiten und sich mit der eigenen Persönlichkeit zu beschäftigen. Dann sollte es leicht fallen, positive Merkmale und besondere Fähigkeiten zu finden, die gut zum Stellenprofil passen, auf das man sich bewirbt. Das alleine reicht aber noch nicht, es ist auch wichtig, sich über Belege dafür Gedanken zu machen und sich Formulierungen zurecht zu legen, mit denen die eigenen Stärken überzeugend und doch zurückhaltend-nüchtern dargestellt werden.

Und auch die Frage nach den Schwächen ist verzwickt, denn über die wohl häufigste Lösungsmöglichkeit können die meisten Personalerinnen und Personaler kaum noch Schmunzeln: Den Versuch, etwas als Schwäche zu benennen, das in Wirklichkeit eine Stärke sein soll. Der Klassiker: „Ich bin oft viel zu engagiert bei Projekten, die mich interessieren, und vernachlässige dann mein Privatleben.“ Nicht nur hat so ziemlich jede und jeder aus der Personalabteilung das schon einige Male gehört, noch dazu lässt es Sie als kleinen Streber dastehen. Zudem zeigt eine Antwort dieser Art auch, dass man nicht bereit ist, offen über seine Fehler und Defizite zu sprechen. In einer Zeit, in der praktisch überall Teamwork angesagt ist, kein guter Charakterzug.

Es führt kaum ein Weg daran vorbei, auch bei den Schwächen ehrlich und glaubwürdig zu agieren und das heißt: Nennen Sie Schwächen, die sie tatsächlich haben – und geben Sie ruhig Beispiele. Auch hier hilft Vorbereitung, denn so können Sie gezielt Schwächen aussuchen, die nicht den Kernbereich Ihrer künftigen Aufgaben betreffen. Ideal ist, wenn sie etwas finden, dass mit dem künftigen Job überhaupt nichts zu tun hat. Völlig in Ordnung ist aber auch, etwas zu benennen, dass nur am Rande ihrer künftigen Aufgaben liegt. Wenn Sie dann noch eine Darstellung vorbereiten, die zeigt, dass Sie aus ihren Fehlern lernen können, haben Sie eine gute Antwort gegeben. Außerdem ist völlig in Ordnung, seine Fehler mit einschränkenden Formulierungen (manchmal, ab und an) zu relativieren oder auf bestimmte Situationen (vor großen Gruppen) zu beschränken. Übrigens kommt die Frage nach den Stärken und Schwächen häufig mit der Aufforderung daher, eine bestimmte Anzahl zu nennen, bereiten Sie also mehrere Möglichkeiten geistig vor. Oft wird nach je drei Stärken und Schwächen gefragt. Ist die Frage offen formuliert, nennen Sie mehr Stärken als Schwächen.

Nicht immer wird die Frage nach den Schwächen direkt gestellt, sondern tritt in verborgener Form auf. Ein Klassiker sind Skalenfragen (Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schätzen Sie ihre Stressresistenz ein?). Hier werden Werte bis 4 ganz klar als Schwäche eingestuft, oft aber auch noch die Werte bis 7. Wer mit 10 oder 9 antwortet, wirkt wie ein Aufschneider – da bleibt nicht mehr viel. Wenn sich die Frage nicht auf eine Schlüsselqualifikation bezieht, ist oft eine Antwort zwischen 5 und 7 eine gute Wahl: Das ist nicht wirklich schlecht, beweist aber Bewusstsein für Verbesserungspotenzial. Beachten Sie in der Vorbereitung, dass die Skala auf positive und negative Eigenschaften unterschiedlich angewendet werden muss. Wer bei Verantwortung 2 und bei Konfliktscheu 9 antwortet, hat das nicht verstanden. Skalenfragen beziehen sich oft auf die Punkte Konfliktscheu, Belastbarkeit, Lernbereitschaft, Teamfähigkeit, Eigeninitiative und Verantwortung. Manchmal taucht die Schwächen-Frage auch im Gewand von Formulierungen wie „Was kritisieren andere an Ihnen?“ oder „Was würden Sie an sich selbst gerne verbessern?“ auf. Auch Fragen nach den negativen Eigenschaften früherer Führungskräfte, Kunden oder Kolleg*innen dienen oft als versteckte Frage nach Schwächen oder werden umgedreht und auf den Bewerber oder die Bewerberin bezogen. Grundsätzlich gilt auch bei versteckten Fragen nach Schwächen immer: Zeigen Sie bei der Antwort, dass und wie sie daran arbeiten.

Übrigens: Noch immer liest man hier und da, dass witzige Antworten einen möglichen Ausweg bieten („Meine Schwäche ist Zartbitterschokolade“). Ein absolutes No-Go, denn Zweck der Frage ist es nicht, Schwächen herauszufinden. Sondern zu erkennen, ob Bewerberinnen und Bewerbern sich ernsthaft mit sich selbst auseinandersetzen, Verbesserungs- und Entwicklungswillen zeigen und reflektionsfähig sind. Deshalb wird eine ausweichend-witzige Antwort im besten Fall nur weitere Fragen nach sich ziehen, im schlechten Fall aber als mangelnde Kooperationsbereitschaft oder ungeeignete Persönlichkeit registriert werden. Und es wird in der Regel auch als negativ wahrgenommen, wenn Sie über Ihre Stärken und Schwächen erst nachdenken müssen und ausweichend oder überrascht reagieren. Denn das zeigt nur, dass Sie sich nicht mit den eigenen Fähigkeiten beschäftigt und sich auch ungenügend auf das Bewerbungsgespräch vorbereitet haben.

Und wie bereitet man sich gut vor auf die Frage nach den Stärken und Schwächen? Am besten mit der Hilfe einer Person aus dem engen Umfeld. Lebenspartner, Familienangehörige, Freundinnen und Freunde kennen Ihre starken und schwachen Seiten oft besser als Sie selbst, deshalb kann gerade hier der Blick von außen wirklich helfen. Auch die Erinnerung an wirklich schwierige Probleme – privat und beruflich – und deren Lösung hilft bei der Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen. Wer sowieso schon Kontakt zu einem Coach oder einer Mentorin hat, sollte diesen auch zur Vorbereitung nutzen.