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Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Der Kampf um gute Fach- und Führungskräfte ist hart. Trotzdem machen immer noch viele Unternehmen Rekrutierungserfolge zunichte, weil sie zu wenig auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf achten. So verlieren sie vor allem, aber nicht nur weibliche Talente, bevor diese eine Führungsposition erreichen. Oder der weibliche Führungskräftenachwuchs schafft es deshalb nach der Babypause nicht, eine hoffnungsvolle Karriere fortzusetzen. Dabei liegt eine einfache Lösung ganz nahe: Teilzeit auch in Führungspositionen.
Veröffentlicht am 21.09.2021
Vereinbarkeit von Familie und Beruf

50 oder 60 Wochenarbeitsstunden, damit brüsten sich noch immer Führungskräfte. Als lasse sich Leistung in Zeit messen. Aber ständig zu arbeiten gehört durchaus zum Selbstbild vieler Manager und auch Managerinnen. Das ist ein Grund, warum es Frauen in Führungspositionen schwer haben. Und warum zwar auf den unteren Führungsebenen ihre Zahl langsam aber stetig zunimmt, ihr Anteil zur Spitze hin aber damit nicht Schritt hält. Denn selbst wenn so hohe Wochenarbeitszeiten oft eine arge Übertreibung sein mögen, denn tatsächlich arbeiten Führungskräfte in Deutschland und Europa im Schnitt eher 42 Stunden pro Woche – auch das bleibt für Frauen mit Kindern schwierig zu realisieren. Selbst dann, wenn sich ihr Partner kräftig bei Kindern und Haushalt engagiert. Ein Grund dafür ist, dass noch immer viele Unternehmen flexible Arbeitsplatzmodelle und Teilzeitarbeit nicht für Führungskräfte anbieten. Dabei ist Führung in Teilzeit durchaus machbar – und kann sogar Vorteile haben.

Es ist eine ganz einfache Rechnung: Bei den Berufseinsteigern ist der Frauenanteil längst ebenso hoch wie der von Männern, rund die Hälfte der Nachwuchskräfte deutscher Unternehmen sind weiblich – mal ein bisschen mehr, mal etwas weniger, je nach Branche und Betrieb. Und ebenso einfach ist es mit dem Top-Management: Fast alle sind Männer, Frauen noch immer eine Seltenheit. Da die beruflichen und kognitiven Leistungen von Frauen und Männern sich nicht grundlegend unterscheiden, müssen Personalabteilungen der schlichten Tatsache ins Auge sehen, dass irgendwo zwischen Berufseinstieg und Vorstand ein ziemlich großer Teil der rekrutierten Talente auf der Strecke bleibt. Das müsste nicht so sein, wenn auch Führungspositionen in Teilzeit besetzt werden könnten. So können karrierewillige Frauen trotz Familienaufgaben vorankommen. Und so können auch Frauen nach längerer Familienpause wieder auf hochwertigen Arbeitsplätzen einsteigen. Übrigens: Wer sich als Unternehmen auf Teilzeit für Führungskräfte einlässt, wird nicht nur für Menschen mit Kindern attraktiver, sondern hilft beispielsweise auch seinem mittleren Management oder auch Senior-Managern, wenn diese auf einmal familiäre Belastungen wie etwa einen Pflegefall zu schultern haben.

Laut Josephine Hofmann von Fraunhofer IAO ermöglicht Führung in Teilzeit für Unternehmen echte Vorteile, denn es ermöglicht einen breiteren Kompetenzaufbau, gerade bei jüngeren Nachwuchskräften, eine insgesamt höhere Verfügbarkeit von Führungskräften (weil das Personalpolster dicker ist), eine Vergrößerung des Rekrutierungspools in Zeiten des Fachkräftemangels und eine „Realisierung peer-orientierter, gemeinsamer Reflektions- und Lernprozesse“. Gerade wenn Teilzeit-Führung durch Tandems realisiert wird, sei der letzte Punkt ein bislang viel zu wenig beachteter Effekt, der Führungskräfte im Unternehmen sehr unterstützen könne. Allerdings dürfe Führung in Teilzeit nicht zu Strukturen führen, in denen die Führungskräfte selbstausbeuterisch in die Teilzeit-Falle laufen. Dann wäre nichts gewonnen, weil sie dann unter erhöhtem Druck vermutlich schlechter leisten oder gleich wechseln.

Aber wie kann Führung in Teilzeit gelingen? Es gibt einige wichtige Kernpunkte: Ein häufig praktiziertes Modell ist Fast-Vollzeit, also Arbeitszeiten von 30 und mehr Stunden – auch das kann schon attraktiv sein für Führungskräfte mit Familienverpflichtungen, weil man eben rechtzeitig Feierabend machen kann, um Kinder aus der Schule oder demente Eltern aus der Tagespflege abzuholen. Hier ist es äußerst wichtig, nicht nur die Arbeitszeit zu verringern, sondern im passenden Maße auch die Aufgaben, sonst schlägt die erwähnte Teilzeit-Falle zu. Außerdem ist das Tandemmodell weit verbreitet, bei dem sich zwei Führungskräfte eine Stelle teilen – häufig mit überlappenden Arbeitszeiten, also beispielsweise zweimal 60 Prozent für eine Stelle. Eine Variante des gleichberechtigten Tandems ist die Kombination einer Führungskraft mit einem oder einer Stellvertreterin. Für beide Modelle ist es wichtig, die Zuständigkeiten und vor allem die Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen klar zu verteilen – damit es keinen Zwist gibt, aber auch um für andere Klarheit zu schaffen. Schließlich ist Erreichbarkeit in Teilzeit ein großes Thema. Oft wird das als Hinderungsgrund gesehen, um Führungsaufgaben in Teilzeit erledigen zu lassen – Führungskräfte sollen immer erreichbar sein. Dabei wird übersehen, dass auch die 40 oder 50 Stunden arbeitenden Manager und Managerinnen wegen Sitzungen und anderen Terminen auch mal nicht erreichbar sind. Klar kommunizierte Zeitfenster und/oder ein gut arbeitendes Sekretariat oder gute asynchrone Kommunikationswege (Mail, Chat-Systeme) können Abhilfe schaffen.

Und wie können Beschäftigte ihre skeptischen Führungskräfte oder Unternehmen davon überzeugen, dass sie ihre Führungsaufgabe auch in Teilzeit erfolgreich wahrnehmen können? Es ist immer hilfreich, nicht einfach nur den Antrag zu stellen, sondern frühzeitig das Gespräch zu suchen und den Arbeitgeber in die eigenen Planungen einzubeziehen. Dazu sollten Sie sich über mögliche Arbeitszeitmodelle, deren Umsetzung in der eigenen Situation und die Vor- und Nachteile Gedanken machen. Wenn Sie sich dann auch noch einen sinnvollen Zeitplan – vielleicht auch schon für die Rückkehr zur Vollzeit – machen und Kommunikation sowie Organisation in der Teilzeit planen, können Sie diesem Gespräch gelassen entgegen sehen und haben viele gute Argumente an der Hand, um den Arbeitgeber zu überzeugen.

Das Bundesfamilienministerium hat eine 40-seitige Broschüre mit Informationen zum Thema "Familie und Führungsposition":

https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93738/eb0e3be9bcc987fa8a1dd20f0b4defdc/familie-und-fuehrungsposition-so-kann-s-gehen-data.pdf