Falsche Angaben in der Bewerbung

Verhandlungssicheres Englisch? Erfahrung im Ausland oder auf einer Führungsposition? Hundertprozentig zur Stellenausschreibung passende Skills? Bewerbungen und Lebensläufe sind in Sachen Wahrheit ein heikles Feld. Wo verläuft die Grenze zwischen Aufhübschen und Lügen?
Veröffentlicht am 24.02.2021
Falsche Angaben in der Bewerbung

Personalvermittler Robert Half hat für seine Arbeitsmarktstudie deutsche Personaler befragt: Fast drei Viertel von ihnen haben bereits Bewerber wegen falscher Angaben aussortiert. Im Lebenslauf verstecken sich demnach falsche Angaben am häufigsten bei den fachlichen Kompetenzen, gefolgt von der Berufserfahrung, den Sprachkenntnissen, den Aufgaben bei früheren Arbeitgebern und dem Bereich Abschlüsse und Qualifikationen. Das ist wenig erstaunlich, wenn man sich manche Stellenausschreibungen ansieht und die dort verlangten Qualifikationen. Beispiel Sprachkenntnisse: Verhandlungssicheres Englisch, so könnte man meinen, zählt mittlerweile zum Standard selbst bei Stellen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass dort regelmäßig oder überhaupt einmal auf Englisch verhandelt werden muss. Um ein paarmal im Jahr an einer Konferenzschaltung mit englischsprachigen Bereichen des Unternehmens teilzunehmen, braucht es kein C1-Niveau, es reicht meist auch B2 (fließend in Wort und Schrift) oder B1 (Teilnahme am täglichen Leben möglich, gehobenere Konversationen).

Hochstapler machen Schlagzeilen

Immer wieder kommen gefälschte Lebensläufe und Zeugnisse in die Öffentlichkeit. Besonderes Interesse rufen Mediziner hervor – selbst an Universitätskliniken wurden bereits falsche Ärzte beschäftigt, sogar als Chirurg mit angeblich zwei Doktortiteln. Tatsächlich hatte der Ende der 2000er-Jahre aufgeflogene Hochstapler nur knapp die Realschule bestanden. Berühmt wurde der Briefträger Gert Postel, der mehrfach mit gefälschtem Lebenslauf und Zeugnissen Anstellungen erhielt, bis hin zum Oberarzt. Auch die frühere Bundestagsabgeordnete Petra Hinz machte 2016 viele Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass sie ihren Lebenslauf gefälscht hatte. Hinz hatte beispielsweise als Schulabschluss „Abitur“ angegeben, hatte aber tatsächlich eben nicht die Hochschulreife, sondern „nur“ die Fachhochschulreife erlangt. Ihr angebliches Jura-Studium war frei erfunden.

Der schmale Grat zwischen aufhübschen und lügen

„Die Braut aufhübschen“ ist eine bekannte Redewendung und hat nichts mit dem Friseurbesuch vor dem großen Tag und einem tollen Kleid zu tun. Es funktioniert auch beim Bräutigam; aufhübschen meint auch: Das Pferd oder Auto für den Verkauf schönen, die Umsätze des Unternehmens für eine Übernahme aufblasen oder eben den eigenen Lebenslauf auf die Anforderungen einer Stelle passend machen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, aber Bewerber und Bewerberinnen sollten als Richtschnur nie aus den Augen verlieren: Sich als Braut oder Bräutigam hübsch zu machen, mag noch angehen, Lügen hingegen sind tabu. Und die zweite Richtschnur beim Abfassen des Lebenslaufes oder Motivationsschreibens sollte immer sein: Wie schnell wird eine Aufhübschung entdeckt? Das Beispiel von Frau Hinz passt hier gut, denn sie hat mit der Fachhochschulreife einen Abschluss, der zum Studium berechtigt. Aber es ist eben nicht das Abitur, die allgemeine Hochschulreife, sondern „nur“ die Fachhochschulreife. Hier hat sie also „Aufgehübscht“, ihr angebliches Jura-Studium hingegen war frei erfunden. Und das Aufhübschen ihres Schulabschlusses wurde von der Öffentlichkeit – zu Recht – als Lüge empfunden und ging damit über schmalen Grat hinaus, auf dem man hier wandeln kann. Der Druck mag in der Politik genauso hoch sein wie in der Wirtschaft, vielleicht noch höher durch die stärkere öffentliche Beobachtung, aber angesichts des folgenden tiefen Falls darf man ihm dennoch nicht nachgeben.

Manche Lüge wird schnell entdeckt

Denn Personaler sind nicht zimperlich, es gibt sogar Detekteien, die Bewerber-Checks zur Überprüfung der Angaben im Lebenslauf anbieten. Sicherlich ist diese Maßnahme nur bei hochdotierten Schlüsselpositionen zu erwarten und hier auch aus Sicht des Unternehmens angemessen. Internetrecherchen über Bewerber per Google und in Facebook, Xing, LinkedIn und weiteren sozialen Netzwerken sind aber mittlerweile Standard. Selbst mit solch einfachen Methoden kann manche Lüge schnell aufgedeckt werden – beispielsweise wenn Löcher im Lebenslauf in Wahrheit eine Auszeit waren, als berufliche Auslandsstation verkauft werden, auf Instagram dann aber die Fotos von den Stränden dieser Welt gefunden werden. Auch Anrufe bei vorigen Arbeitgebern sind keine Seltenheit und man kann nie wissen, ob es nicht vielleicht sogar persönliche Netzwerke gibt, die solche Nachfragen noch erleichtern und beschleunigen.

Ehrlichkeit als Pluspunkt

Auffällig sind stets auch unkonkrete Angaben, beispielsweise wenn für Beschäftigungsstationen nur Jahreszahlen genannt werden, keine Monate oder konkrete Eintrittsdaten. Hinter den Angaben „2018 – 2019 Firma XY“ kann eine Beschäftigungsdauer von zwei Jahren stehen (Januar 2018 bis Dezember 2019) oder von nur sechs Wochen (Eintritt 1. Dezember 2018, Kündigung in der Probezeit Mitte Januar 2019). Nur wenige Personaler werden danach NICHT fragen. Besser ist es, solche Lücken mit Weiterbildungen (Achtung: Zeugnis oder Bescheinigung vorhanden?) oder Auslandsaufenthalten zu kaschieren. Die kann man sich ja selbst organisieren zur persönlichen Weiterentwicklung, sollte dann aber auf Nachfrage auch sinnvolle Erkenntnisse präsentieren können und nicht nur die Wassertemperatur. Oder schlicht die Wahrheit schön verpackt zu schreiben – berufliche Neuorientierung statt Arbeitslosigkeit. Wenn die Qualifikationen passen, muss eine solche Angaben kein Hinderungsgrund für eine Einstellung sein. Im Gegenteil wird Ehrlichkeit oft sogar eher als Pluspunkt gewertet.

Es drohen hohe Strafen, Schadenersatz und fristlose Kündigung

Lügen haben kurze Beine, heißt es, und das zeigt sich auch im Bewerbungsverfahren oft. Es fängt an mit wirklich dummen Fehlern wie etwa unterschiedlichen Angaben im Anschreiben und im Lebenslauf oder mit Diskrepanzen zwischen dem CV und den Angaben im beruflichen Netzwerk im Internet. Es geht weiter mit unterschiedlichen Schriftarten oder anderen kleinen Indizien und endet spätestens im Bewerbungsgespräch, wenn dort plötzlich ein Native Speaker sitzt und vom Deutschen ins Englische wechselt. Oder wenn ein höheres letztes Jahresgehalt angegeben wurde, um die Verhandlungsposition zu stärken, und plötzlich die Frage nach dem monatlichen Verdienst auf der letzten Stelle kommt. Wer dann erst rechnen muss, ist schon so gut wie durchgefallen. Vergessen Sie nie, dass die Personalabteilungen großer Firmen, aber auch die erfahrenen Einzelpersonaler in kleinen Betrieben oft schon hunderte, manchmal tausende Bewerbungen gesehen haben. Dass sie darauf spezialisiert sind, sich ein gründliches und wahres Bild von Menschen zu machen. Das ist ihr Job. Und denken Sie an die Konsequenzen: Möglicherweise kann sogar Betrug ins Spiel kommen, ein mit bis zu fünf Jahren Haft bedrohtes Verbrechen, jedenfalls aber Schadenersatzansprüche, so ein Schaden verursacht wurde. Aber selbst wenn diese beiden Möglichkeiten selten sein mögen – wenn Sie sich eine Stelle mit gefälschten Angaben erschleichen, ist das ein Grund für die sofortige, fristlose Kündigung wegen arglistiger Täuschung. Selbst noch Jahre nach Ende Ihrer Probezeit.

Lügen erlaubt?

Schließlich sei aber auch noch darauf hingewiesen, dass Arbeitgeber natürlich alles von Kandidaten wissen wollen, aber nicht dürfen. Fragen nach Ihrem Privatleben sind tabu. Das betrifft beispielsweise:

- Lebenspartner und Heirat

- Kinderwunsch, Schwangerschaft, Familienplanung

- religiöse oder politische Ansichten oder Zugehörigkeiten

- Vereins- und Gewerkschaftszugehörigkeit

- private Finanzen, auch Lohnpfändung und Vermögen

- Vorstrafen

- Gesundheit und Sexualität

 

Ausnahmen kann es nur geben, wenn Sie sich bei einem Tendenzbetrieb bewerben oder wenn die Stelle besondere Anforderungen hat, die mit der Frage im Zusammenhang stehen (z.B. Fragen nach Gesundheit bei engem Kontakt zu Kollegen oder Lebensmittelverarbeitung oder auch Zusammenhang zwischen Straftaten und zu besetzender Stelle). Lügen sind insbesondere bei der Frage nach Schwangerschaft sogar schon arbeitsgerichtlich abgenickt worden, allerdings auch bei unerlaubten Fragen nicht unbedingt erste Wahl als Antwort. Und auch der Verweis darauf, dass diese Frage nicht zulässig ist, wirkt unsouverän und defensiv. Meist wird empfohlen, eine freundliche aber nichtssagende Antwort zu geben. Vor allem aber sollten Sie sich in dieser Situation überlegen, ob das ein Unternehmen ist, bei dem Sie wirklich arbeiten wollen.