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"Ich bin direkt selbst Chefin geworden"

Dr. Antje Eckel, Dr. Eckel Animal Nutrition, über ihre Erfahrungen als Spitzenfrau in der Agrarwelt
Veröffentlicht am 13.01.2021
"Ich bin direkt selbst Chefin geworden"

Manch männlicher Geschäftsführer betrachtet Frauen in Führungsposten als Risiko. Wie stattdessen Familienfreundlichkeit gelebt werden kann, erzählt Dr. Antje Eckel, Gründerin von Dr. Eckel Animal Nutrition, im Interview mit der agrarzeitung (az).

agrarzeitung: Wie ist Ihr Entschluss gereift, mit Dr. Eckel Animal Nutrition ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Dr. Antje Eckel: Der Hauptbeweggrund nach meiner Promotion war, eine anspruchsvolle Arbeit zu finden, die sich mit der Familie vereinbaren lässt. Ich hatte zunächst vor, eine entsprechende Festanstellung in Teilzeit zu suchen. Doch diese Überlegungen sind schnell an Grenzen gestoßen.

Inwiefern?

Als meine Kinder klein waren, in den 1990er Jahren, hatten Kindergärten von 8 bis 12 Uhr am Vormittag und dann wieder nachmittags von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Das war für Berufstätige keine wirkliche Hilfe in Sachen Kinderbetreuung. Außerdem bin ich in der Selbstständigkeit dem Konflikt ‚Kinder versus Karriere‘ quasi von Anfang an aus dem Weg gegangen, indem ich direkt selbst Chefin wurde.

Hatten Sie jemals Ängste, ob Sie beiden Rollen als Unternehmenschefin und Mutter gerecht werden können?

Meine Schwiegermutter, die als berufstätige Akademikerin in ihrer Generation eine große Ausnahme war, hat mir folgenden Rat gegeben: ‚Überlege Dir gut, ob Du wirklich Dein eigenes Unternehmen gründen möchtest. Denn eines muss Dir klar sein: Immer, wenn Du nicht arbeitest, wird Dich Deine Familie fordern. Neben Familie und Beruf bleibt kaum Freizeit; Dein Beruf ist quasi Dein Hobby.‘ Ich hatte also zumindest eine Vorstellung davon, worauf ich mich einlasse. Aber meine Schwiegermutter hat mir einen noch viel wertvolleren Rat gegeben.

Und zwar?

Sie hat gesagt, dass ich meine Kinder nicht spüren lassen dürfe, wenn ich das Gefühl habe, ich würde meiner Mutterrolle nicht gerecht werden, sondern sie mit dem Bewusstsein groß werden lassen solle, dass es auch in Ordnung ist, gegen den Strom zu schwimmen. Denn berufstätige Mütter haben grundsätzlich ein schlechtes Gewissen – berechtigt oder nicht.

In welchen Situationen hat sich das schlechte Gewissen bei Ihnen gemeldet?

Den Kindern hat es manchmal womöglich an Struktur gefehlt, aber sie sind auch sehr früh selbstständig geworden. Mein Mann, der im Gründungsjahr in meine Firma mit eingestiegen ist, hat sich in gleichem Maße wie ich auch neben dem Job um den Haushalt und unsere Kinder gekümmert. Wir beide mussten also immer wieder zwischen Arbeit und Familie jonglieren.

Sie waren also auch häufig im Spagat zwischen Familie und Beruf. Hand aufs Herz: Haben es Selbstständige wirklich leichter, die beiden Welten miteinander zu versöhnen?

Selbstständige können sich ihre Zeit freier einteilen und sich im Zweifel auch mal tagsüber ein paar Stunden ausklinken, wenn das Kind weinend aus der Schule oder aus dem Kindergarten kommt und Zuwendung braucht. Und für angestellte Männer war es zu der Zeit, als mein Mann und ich in den Beruf gestartet sind, aus Karrieresicht ein K.o.-Kriterium, mehr Zeit für die Familie einzufordern.

Sprechen Ihr Mann und Sie da aus eigener Erfahrung?

Nicht wir persönlich, aber ein Studienfreund von uns hat damals Erziehungsurlaub genommen. Das hat ihm tatsächlich sein ganzes späteres Berufsleben über Schwierigkeiten bereitet, weitere Schritte auf der Karriereleiter zu nehmen.

Ist Dr. Eckel Animal Nutrition familienfreundlicher als andere Unternehmen, weil es von Ihnen und somit von einer Frau geführt wird?

Das kann ich natürlich nicht objektiv beurteilen. Aber wir haben von Beginn an Wert auf Flexibilität gelegt. Müttern oder Vätern, die nach der Elternzeit, oder, wie es früher hieß, dem Erziehungslaub, wieder in den Beruf einsteigen wollten, haben wir schon immer eine Rückkehr in Teilzeit, an bestimmten Wochentagen und zu verschiedenen Tageszeiten ermöglicht. Natürlich muss das übrige Team diese Flexibilität, die jungen Eltern oder auch pflegenden Angehörigen zuteilwird, ein Stück weit abfedern.

Und das Team akzeptiert das?

Ja, aber natürlich gibt es auch mal Diskussionen. Wenn beispielsweise bei einer Mitarbeiterin die Kinder älter und selbstständiger werden und dafür dann andere Teammitglieder kleine Kinder haben und auf die Rücksichtnahme der Kollegen angewiesen sind, muss man auch schon mal Abstriche in der Flexibilität der Arbeitsorganisation einfordern. Aber am Ende finden wir immer einen Kompromiss – eben weil alle die Erfahrung machen, dass die Teammitglieder füreinander einstehen.

Verschafft Ihnen die Flexibilität in der Arbeitsorganisation auf dem Bewerbermarkt Vorteile?

Möglicherweise, ja. Es hat sich kürzlich ein junger Mann bei uns beworben und sein Interesse auch damit begründet, dass wir bekannt für Familienfreundlichkeit seien. Er kannte eine zweifache Mutter, die bei uns tätig ist, und die im positiven Sinne viel Flexibilität bei der Organisation ihrer Arbeit erfahren hat. 

Ihnen als Chefin ist es wichtig, Familie und Beruf miteinander vereinbar zu machen. Dennoch sind Frauen in Führungsetagen vieler Unternehmen spärlich vertreten: warum?

Da spielen verschiedene Aspekte mit herein. Häufig sind es Gründe der Arbeitsorganisation …

… wie fehlende Bereitschaft, Führungsposten in Teilzeit anzubieten?

Zum Beispiel. Ich persönlich sehe darin überhaupt kein Problem. Als Führungskraft muss ich kleinteilige Arbeiten ja nicht selbst ausführen, sondern muss das Team befähigen, die Arbeit gut erledigen zu können. Das ist, vor allem in kleinen Teams, gut in Teilzeit leistbar.

Es gibt Unternehmen, die einen Führungsposten auf zwei Schultern verteilen unter dem Stichwort „Geteilte Führung“.

Von geteilter Führung halte ich wenig. Geteilte Verantwortung ist gar keine Verantwortung. Aber was Frauen bei der Karriere in konservativen Branchen wie der Agrarwirtschaft viel stärker im Weg steht, sind Geschäftsführer, die es als Risiko betrachten, zu viele Frauen in Leitungsfunktionen zu haben.

Das müssen Sie mir erklären.

Gerade bei jungen Frauen sehen vor allem Männer auf Geschäftsführungsposten das Risiko, dass die Mitarbeiterinnen Familien gründen und dann erst einmal durch Elternzeit ausfallen. Deswegen werden bei Beförderungen Männer bevorzugt. Heute wird glücklicherweise von politischer Seite unterstützt, dass auch Männer in Elternzeit gehen. Wenn Männer vermehrt von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, besteht nicht nur aufseiten der Frauen das ‚Risiko‘, aus familiären Gründen zeitweise auszufallen.

Können Sie schon Anzeichen für ein Umdenken erkennen?

Ich habe mir früher von männlichen Wettbewerbern häufiger süffisante Sprüche anhören müssen. Einmal waren beispielsweise mehrere meiner Mitarbeiterinnen gleichzeitig schwanger und mussten vertreten werden – das war für unser Unternehmen natürlich zunächst schwierig. ‚Kein Wunder, bei eurem Weiberladen‘, lautete dazu der häufige Kommentar. Solche Bemerkungen habe ich als verletzend empfunden, aber sie werden zum Glück seltener.

Wie stehen Sie zur Frauenquote in Vorständen, Aufsichtsräten und generell?

Früher war ich skeptisch, aber heute bin ich dafür. Wenn die Arbeitgeber sich nicht freiwillig bewegen, brauchen wir halt eine Quote. Wir selbst legen bei uns im Unternehmen Wert darauf, Führungsposten paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen. Dabei haben wir eher das Problem, Frauen gegenüber positiv voreingenommen zu sein – einfach, weil wir viele Frauen im Unternehmen haben und daher auch oft Frauen die Vorstellungsgespräche führen.

Inwieweit sind Sie persönlich auf Vorbehalte bei männlichen Geschäftspartnern gestoßen, einer Frau auf Augenhöhe zu begegnen?

Es gab da manche skurrile Situation. Einmal habe ich Verhandlungen mit einer Bank geführt über einen Kredit für eine Investition. Der Bankangestellte wollte sich zunächst weigern, mir den Kredit zu gewähren, wenn mein Mann nicht mitunterschreibt – obwohl mir das Unternehmen gehört.

Und in Verhandlungssituationen: Begegnen Männer Frauen da anders?

Ja, zum Teil schon. Vor allem zu Anfang meiner Laufbahn haben mich männliche Verhandlungspartner oft unterschätzt. Das habe ich immer als Vorteil empfunden.

Wie kann denn Geringschätzung ein Vorteil sein?

Überheblichkeit ist immer eine schlechte Haltung, egal, ob Mann oder Frau, jung oder alt. Wer überheblich ist, unterschätzt seinen Verhandlungspartner. Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass meine Gesprächspartner viel schlechter vorbereitet in die Diskussion gegangen sind als ich. Daraus habe ich die Lehre gezogen, mich immer besonders gut vorzubereiten. Oft kannte ich den Markt und die Preise daher viel genauer als mein Gegenüber – und war dadurch im Vorteil.

Gibt es einen typisch weiblichen und typisch männlichen Verhandlungsstil – oder sind das Klischees?

Generell werden Männer eher laut, und Frauen sind häufiger ruhig in Auseinandersetzungen. Das heißt aber nicht, dass Frauen auch nachgiebiger sind. Manchmal haben meine Kinder zugehört, wenn ich am Telefon schwierige Verhandlungen geführt habe. Ihr Fazit: ‚Mama ist vor allem leise streng.‘ Männer setzen mehr Duftnoten, um kritische Töne abzuwehren, zumindest in der Tendenz; es gibt natürlich auf beiden Seiten Ausnahmen.

Gibt es denn einen typisch männlichen und typisch weiblichen Führungsstil?

Gute Führungskräfte hören zu und stellen viele Fragen. Da gibt es keine großen Unterschiede zwischen Männern und Frauen.